1.9.2020

28. Der Händler (Kapitel XXIII)

Wenn Bedürfnisspannung oder Triebdynamik besonders drängt wie eben in der „Wüste“, erscheint die Versuchung unwiderstehlich, mit dem generalisierten Prinzip des Spannungsausgleichs zu antworten, wie zum Beispiel der allen Durst stillenden Pille.

Der Händler verkauft solche Pillen; denn damit gewinnen die Menschen pro Woche dreiundfünfzig Minuten, in denen sie machen können, was sie wollen. Doch die zu schnelle Lösung der Spannung weckt das Bedürfnis nach immer stärkeren Reizen, um dem toten Punkt der Spannungslosigkeit und der Sinnleere zu entrinnen. Der Kleine Prinz besitzt genügend Frustrationstoleranz; er nimmt sich Zeit für seinen Entwicklungsweg und zieht es vor, in freigewählter und kritischer Selbstdistanz seine Bedürfnisse nicht mit Pillen, sondern mit dem Geschenk lebendigen Wassers aus einem frisch quellenden Brunnen zu stillen. Diese Einstellung des Kleinen Prinzen erinnert an die Worte Jesu bei seiner Begegnung mit der Samariterin am Jakobsbrunnen: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm geben werde, wird niemals mehr Durst haben; vielmehr wird das Wasser, das ich ihm gebe, in ihm zur sprudeln Quelle werden, deren Wasser ewiges Leben schenkt.“ (Joh 4,14)