6. Der Kleine Prinz (Kapitel II)
„Ich blieb also allein, ohne jemanden, mit dem ich wirklich hätte sprechen können, bis ich vor sechs Jahren einmal eine Panne in der Wüste Sahara hatte“, lautet der erste Satz des zweiten Kapitels. Angst führt zu Einsamkeit, Isolierung und Selbstverschließung. Antoine de Saint-Exupéry ist allein, extrem verlassen und völlig auf sich selbst gestellt in der unfruchtbaren Trockenheit und im Schweigen der Wüste. Und gerade dort macht er die wunderbare Entdeckung des eigenen Innern, indem er sich selbst im Kleinen Prinzen, dem Kind, das er selber ist, begegnet.
Der Kleine Prinz bittet ihn, ihm ein Schaf zu zeichnen. Antoine de Saint-Exupéry präsentiert ihm zunächst seine Kinderzeichnung, in der die Erwachsenen nur einen Hut gesehen haben und ist verblüfft über den Kommentar des Kleinen Prinzen: „Nein! Nein! Ich will keinen Elefanten in einer Riesenschlange. Eine Riesenschlange ist sehr gefährlich, und ein Elefant braucht viel Platz. Bei mir zu Hause ist wenig Platz. Ich brauche ein Schaf. Zeichne mir ein Schaf.“ Als es dem Autor trotz mehrerer Versuche noch immer nicht gelingt, das für den Kleinen Prinzen „richtige“ Schaf zu zeichnen, „kritzelt“ er schließlich eine Kiste und erklärt ihm: „Das ist die Kiste.
Das Schaf, das du willst, steckt da drin.“ Völlig überrascht hört er die Worte seines „jungen Kritikers“: „Das ist ganz so, wie ich es mir gewünscht habe.“
Das Schaf in der Kiste steht als Symbol für Geborgenheit und Heimat. Auch die Wahrheit über das eigene Selbst ist tief im Innern einer Person verborgen. Theologisch gedeutet, verweist das Schaf auf das Lamm Gottes, den guten Hirten, aber auch auf ein schwaches, aber innerlich halsstarriges Tier (Jes 53,6 Wir hatten uns verirrt wie Schafe, jeder ging seinen Weg), das auch die geliebte Rose des Kleinen Prinzen fressen könnte (Kap. VII).
Der Kleine Prinz sucht nicht das Äußerliche, sondern, wie es sich in den folgenden Kapiteln deutlich zeigt, das Innere und Spirituelle.