
25.1.2023
Ändert die Priesterweihe einen Menschen?
Mein eigenes inneres Empfinden vor und nach der Priesterweihe ist gleichgeblieben. Eine Veränderung ergab sich bei der Betrachtung von außen. Für die Menschen war ich nicht mehr der Theologiestudent, der Priester werden will, sondern der geweihte Priester.
Auf Grund der schwarzen Priesterkleidung sprach man mich dann immer als „Herr Kaplan“ an. Am liebsten hatte ich, wenn man mich ohne Titel nur mit meinem Namen ansprach.
Ich hatte inzwischen viele Titel. Heute führt man mich offiziell als „Pfarrer em.“, obwohl ich nie Pfarrer gewesen bin; denn man hatte immer etwas anderes mit mir vor. Seit meiner hauptamtlichen Ernennung am 27. Juni 1974 als Spiritual im Collegium Borromaeum in Münster widme ich mich auch heute als Pensionär in meiner Wohnung in Billerbeck noch immer dieser Aufgabe.
Manche Menschen meinen, mit der Weihe zum Priester sei man mit einer bestimmten Amtsgnade ausgestattet, daher ist es nicht immer einfach, auch als Priester ein „normaler“ Mensch zu bleiben. Nicht selten sieht man sich sehr hohen Erwartungen gegenüber und stößt somit durchaus auch an seine eigenen Grenzen.
Auch nach der Priesterweihe galt und gilt für mich in bezug auf meine geistlichen Fähigkeiten nach wie vor:
Ein Priester
muss sein, ganz groß und ganz klein,
vornehmen Sinns wie aus Königsgeschlecht,
einfach und schlicht, wie ein Bauernknecht.
Ein Held, der sich selbst bezwungen
und ein Mensch, der mit Gott gerungen.
Ein Quell von heiligem Leben,
ein Sünder, dem Gott vergeben.
Ein Herr dem eigenen Verlangen;
ein Diener der Schwachen und Bangen.
Vor einem Großen sich beugend,
zu den Geringsten sich neigend.
Ein Schüler von seinem Meister;
ein Führer im Kampf der Geister.
Ein Bettler mit flehenden Händen,
ein Herold mit goldenen Spenden.
Ein Mann auf den Kampfesstätten,
eine Mutter an Krankenbetten.
Ein Greis im Schauen,
ein Kind im Trauen.
Nach Höchstem trachtend,
das Kleinste achtend.
Bestimmt zur Freude,
vertraut dem Leide.
Weitab vom Neide.
Im Denken klar;
im Reden wahr.
Des Friedens Freund,
der Trägheit Feind.
Feststehend in sich
ganz anders als ich.
Ich möchte gerne mehr können, als ich vermag. Aber mich tröstet, was mein erster „Chef“ während meiner Kaplanszeit in Xanten, Propst Alfred Wilms (1915-1992), bei meinem Wechsel nach Wesel gesagt hat: „Hans-Karl kann nicht alles, aber vieles sehr gut.“
Sowohl im weltlichen als auch im kirchlichen Bereich birgt das Innehaben eines Amtes, vor allem in höchsten Stellen, die Gefahr, der Einbildung zu erliegen, etwas Besseres zu sein, was dann zu Amtsmißbrauch führen kann. Ein Priester schrieb mir: „Ich habe das Gefühl, als sei alles, was ich tue, auch als Priester, ein schwer trennbares Gemisch aus Machtlust und Nächstenliebe.“
Am Anfang meiner Tätigkeit als Priester war ich wie auch schon in meiner Jugend eher ein Macher. Als ich aber den Buddhismus und seine Praxis der Meditation, bei der man ganz im JETZT verharrt, kennenlernte, habe ich nach und nach das Machen aufgegeben und vertraue auf die Momente der Inspiration. Dabei erfahre ich Eingebungen, deren Ursprung ich zwar nicht ausmachen kann, die ich aber auf keinen Fall missen möchte.
Ein Priester schrieb mir von seiner Erfahrung: „Ich kann von keinem Gedanken die letzte Herkunft nennen, alle haben etwas Plötzliches, Hervorspringendes, auch wenn sie in lange, logische Ketten verschlungen sind. Es ist mir nicht möglich, festzustellen, ob geschenkte Einfälle nach der Weihe häufiger waren als vorher.“
Wie bereits oben erwähnt, wirke ich auch jetzt mit meinen 86 Jahren wie die meiste Zeit in meinem Priesterleben als Spiritual.
Viele Menschen, angefangen von Bauern bis zu Professoren, Therapeuten und vor allem Priestern, sprechen mit mir über ihren vergangenen und weiteren Lebensweg. Ich brauche und kann mich auf solche Gespräche nicht vorbereiten, sondern muß nur ganz offen sein für das, was Gott mir als Antwort für die ausgesprochenen Probleme eingibt. Es ist immer wieder anrührend zu erfahren, wenn ich genau „ins Schwarze“ getroffen habe.
Ich habe schon als Vierzehnjähriger in mein Religionsheft geschrieben „Gott in mir“. Vermutlich habe ich das damals noch nicht begriffen, sondern Gott eher als ein Gegenüber erlebt. Und doch muß ich schon in gewisser Weise gespürt haben, was jetzt mein Leben ganz erfüllt. ER in mir und ich in IHM. Daß wir alle EINS sind mit Gott, möchte ich meinen Gesprächspartnern vermitteln. Ich bin geweiht, um Gottes Geist im HIER und JETZT bewußt zu machen.
Siehe auch Kurienkardinal Ouellet beklagt "klerikale Machtmentalität" in der Kirche
und Papst: Zölibat soll bleiben – Freundschaften unter Priestern helfen.
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„Wie vom Blitz getroffen“
Unter dieser Überschrift und den einleitenden Zeilen „Baustelle Christentum – Vom Christenhasser zum glühenden Jesusanhänger: Wie ist die Wandlung im Leben des Paulus zu sehen? Und hat der Apostel eine neue Religion gegründet? Zwei Deutungen“ brachte die Zeitschrift Publik-Forum am 4. Juli 2012 eine Einführung von Hartmut Meesmann (* 1950) zu dem Artikel „Aus der Tiefe der Seele“ von Hubertus Halbfas (* 1932).
Hartmut Meesmann verweist auf den evangelischen Theologen Wolfgang Stegemann (* 1945), der sich wie Hubertus Halbfas mit den neuesten Forschungen zum sogenannten „Damaskus-Erlebnis“ beschäftigt hat. Wolfgang Stegemann verneint die Behauptung vieler Theologen, Paulus habe „eine Konversion vom Judentum zum Christentum vollzogen“.
Hubertus Halbfas hält die Stiftung des Auferstehungsglaubens durch Visionen für zutreffend.
Wie die Altapostel durch Visionen alle eine Ostererfahrung hatten, so sieht auch Paulus seine Erfahrung mit diesen vergleichbar, wenn er im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt: „Als letzten von allen erschien er auch mir.“ (1 Kor 15,8) Somit ordnet er sich der Schar der Apostel zu und stellt sich mit ihnen auf eine Stufe.
Empirisch läßt sich diese Erfahrung des Paulus wie auch weitere in seinen Briefen geschilderte nicht bestätigen; denn sie spielen sich in seinem Inneren ab. Auch die Verkündigung seines Evangeliums sieht Paulus als ihm von Jesus selbst offenbart: „Ich erkläre euch, Brüder: Das Evangelium, das ich verkündigt habe, stammt nicht von Menschen; ich habe es ja nicht von einem Menschen übernommen oder gelernt, sondern durch die Offenbarung Jesu Christi empfangen.“ (Gal 1,11f)
Carl Gustav Jung (1875-1961) beschrieb seine während einer Krankheit erlebte Vision wie folgt: „Ich hätte nie gedacht, daß man so etwas erleben könnte, daß eine immerwährende Seligkeit überhaupt möglich sei. Die Visionen und Erlebnisse waren vollkommen real; nichts war anempfunden, sondern alles war von letzter Objektivität.“