2.1.2020

Äußeres Glück – Inneres Glück

Wir haben in der deutschen Sprache nicht viele Möglichkeiten, deutlich zu machen, welches Glück wir meinen, wenn wir uns Glück wünschen. Wir sprechen vom irdischen und vom himmlischen Glück. Das himmlische Glück steht auch für „Heil“ oder „Seligkeit“. Beide Begriffe haben sehr wohl etwas mit unserem irdischen Glück zu tun. Allerdings haben wir mit beiden Bezeichnungen auch unsere Schwierigkeiten: „Heil“ wurde als nationalsozialistischer Gruß mißbraucht, und die vorläufige Einheitsübersetzung des Neuen Testamentes ersetzte die Formulierung „Selig, die arm sind vor Gott“ durch „Wohl denen, die vor Gott arm sind“.

Manche Sprachen unterscheiden zwischen äußerem und innerem Glück. Bei den Römern ist „fortuna“ das Glück, das von außen kommt, also unser Geschick, und das innere Glück im Sinn von guter innerer Verfassung und Harmonie bezeichnen sie als „felicitas“ oder „beatitudo“.

Unter äußerem Glück verstehen die Menschen von jeher genügend Besitz und Ansehen in der Gesellschaft. Daß äußeres Glück vergänglich ist, gehört zum Glücklichsein. Wer diese Grunderfahrung außer Acht läßt, ist ein Narr.

Unser Glück hat etwas mit unseren Gefühlen zu tun. Im Empfinden von Lust, in ihrer Steigerung im ekstatischen Erleben, kann der Mensch aufgehen, sich vielleicht sogar verlieren. Was für die Lust gilt, trifft ebenso auf den Schmerz zu; beide tendieren dahin, jeden anderen Bewußtseinszustand auszublenden. Wer aus diesen Empfindungen wieder auftaucht, kommt sich nicht selten vor „wie weggetreten“ und sagt: „Ich war ganz weg!“ Erstrebenswert wäre die Fähigkeit, zu solchen Gefühlen auf Distanz zu gehen, ohne sie zu verdrängen.

Beim Schmerz haben wir das gelernt. Keiner möchte im Schmerz verweilen, jeder sucht nach neuen Lebensmöglichkeiten. So kann man an Leid und Schmerz reifen. Durch Glücklichsein zu reifen, ist schwerer; denn wer will schon aus einer lustbereitenden Empfindung heraus? Reifung aber gelingt nicht durch ein Sichverlieren in der Lust, sondern durch einen Aufbruch zu einer höheren Ebene.

Auch im Leiden kann Glück aufleuchten. Leid ist gleichsam Voraussetzung dafür, daß Glück als Durchgang zu sich selbst erscheinen kann. Der auferstandene Jesus sagt den Emmausjüngern: „Mußte nicht der Messias all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit zu gelangen?“ (Lk 24,26) Völlige Abwesenheit von Angst und Sorge ist nicht Voraussetzung für subjektives Wohlbefinden, vielmehr ist ein bestimmtes Maß davon sogar notwendig. Erst wenn jemand eine Belastungsgrenze überschreitet, fühlt er sich unglücklich.

Wer von innerem Glück erfüllt ist, fühlt sich dankbar. Dank aber schuldet man nicht sich selbst. Wer Dankbarkeit empfindet, weiß sich beschenkt. Und doch ist Glück nicht nur Geschenk. Die Tradition vergleicht das Glück mit einem Trank und zugleich mit dem Trinken des Getränks. Das Glück wird mir zwar wie ein Trank gereicht, um aber wirklich glücklich zu sein, muß ich ihn selbst trinken.

Niemand ist glücklich, der nicht selbst glaubt, es zu sein. Wäre es nicht sinnvoll, uns gegenseitig das „Glück auf!“ der Bergleute zuzurufen?