15.4.2021

Als Kinder bauten wir uns Höhlen

In der Regel betrachtet man die Erde als Mutter und sieht vor allem die Höhlen als Mutterschoß. Jesus wird in der Tradition des Ostens in einer Höhle geboren, im Westen ist es ein Stall. In Bethlehem wird eine Geburtsgrotte gezeigt. Die Taufe Jesu findet an der tiefsten Stelle der Erde statt. Die Jordansenke liegt 400 m unter dem Meeresspiegel. Jesu Begräbnisstätte ist ein Felsengrab. Geburt und Tod Jesu Christi dringen ganz in die Erdverhältnisse ein, somit sind die Festen der Erde von seinem Geist durchdrungen.

Die ersten Christen gehen in die Katakomben. In der Ostkirche befinden sich die Mönchszellen in Höhlen. Viele Kirchen haben noch eine Krypta.

Moses (Ex 39,21-23) und Elias (1 Kön 19,12-13) schildern eine Epiphanie des Herrn in Verbindung mit einer Höhle. Für Papst Franziskus (* 1936) und Papst Benedikt XVI. em. (* 1927) sind Höhlen wichtige Orte der Bekehrung und Berufung.

Unser Leben beginnt in der Gebärmutterhöhle. Daraus verstoßen, suchen wir immer wieder diesen Schutz, so zum Beispiel in der liebenden Umarmung durch unsere Eltern und in der körperlichen Umhüllung durch das Bett und den Wohnraum. Als Kinder bauten wir uns Höhlen aus Sträuchern im Garten, aus Zweigen und Ästen im Wald, aus Decken und Bettzeug zu Hause.

Die wichtigste Höhle aber bleibt die Umarmung und das darin leibliche Einswerden. Die letzte Höhle auf Erden birgt dann unseren Leib in der Hoffnung, in die Höhle Gottes einzugehen.

Wie am Anfang birgt uns eine Höhle, die warme Höhle „Gott“ oder die kalte Höhle „Nichts“. Die Buddhisten sagen, das sei keine Alternative, sondern dasselbe. Ebenso verhält es sich im Christentum. Es geht nicht um eine temperierte Höhle „Himmel“ oder eine heiße Höhle „Hölle“, bei der das Feuer ein Bild für die nicht zu stillende Sehnsucht nach der Liebe und Geborgenheit bei Gott sein kann, sondern um Gott oder Nichts. Die alten Bezeichnungen „Himmel“ und „Hölle“ bedeuten vermutlich dasselbe.