
21.7.2022
Arbeit - Muße - Spiel
Arbeit und Muße scheinen einen Gegensatz zu bilden. Im Mittelalter hat sich eine Umwertung des sozialen Status der Arbeit vollzogen, in deren Verlauf sie sich von der verachtungswürdigen Plackerei des antiken Sklaven zur ehrbaren Tätigkeit des freien Bürgers emanzipierte. Bei den Römern hieß Muße „otium“ und Arbeit „negotium“, also „Nicht-Muße“.
Josef Pieper (1904-1997)
Muße und Kult
Verlag Kösel 1948
Rezension von Michael Vollstädt
Befriedigende Arbeit läßt sich mit Muße verrichten. Wichtig ist vor allem die Einstellung zur Arbeit. Das zeigt sich in Jesu Wort: „Mein Joch ist leicht“.
Jesus schafft das Joch nicht ab, sondern zeigt uns, wie es leichter werden kann: „Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.“ (Mt 11,30)
Das liegt aber nicht an einer Verringerung des Gewichtes, sondern an einer Änderung der Einstellung.
Jakob diente ein zweites Mal sieben Jahre, um Rachel zu bekommen, weil man ihm nach den ersten sieben Jahren Lea untergeschoben hatte. Auf Grund seiner Liebe, die er für Rachel empfand, erschienen ihm die sieben Jahre wie wenige Tage (vgl. Gen 29).
Es ist erstaunlich, daß Arbeit das einzige ist, was ein Mensch, sofern er die richtige Einstellung dazu hat, acht Stunden am Tag leisten kann, und das Tag für Tag.
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Das eigentliche Gegenteil von Arbeit ist Spiel. Es gibt nichts Ernsthafteres als das Spiel, das wissen vor allem die Kinder.
Arbeit ist mit einem Zweck verbunden. Für manche Menschen besteht dieser darin, erneut zu kehren, obwohl der Boden schon sauber ist.
Arbeit hat ein Ziel; Spiel braucht kein Ziel. Muße ist die Ausgewogenheit von Arbeit und Spiel. Arbeit und Spiel stehen für die zwei Pole von Muße.
Auch das Verhältnis von Pflicht und Kür gehört hierhin.
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Der Tanz kann den Gegensatz zwischen „schwer“ und „leicht“ auflösen
David tanzte, als die Bundeslade nach Jerusalem zurückgebracht wurde (vgl. 1 Chr 15,29 u. 2 Sam 6,5).
Augustinus (354 – 430) lobt den Tanz
Ich lobe den Tanz,
denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge,
bindet den Vereinzelten an die Gemeinschaft.
Ich lobe den Tanz,
der alles fordert und fördert, Gesundheit und klaren Geist
und eine beschwingte Seele.
Tanz ist Verwandlung
des Raumes, der Zeit, des Menschen, der dauernd in Gefahr ist
zu zerfallen ganz Hirn, Wille oder Gefühl zu werden.
Der Tanz dagegen fordert den ganzen Menschen,
der in seiner Mitte verankert ist, der nicht besessen ist
von der Begehrlichkeit nach Menschen und Dingen
und von der Dämonie der Verlassenheit im eigenen Ich.
Der Tanz fordert
den befreiten, den schwingenden Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfte.
Ich lobe den Tanz. O Mensch, lerne tanzen,
sonst wissen die Engel im Himmel mit dir nichts anzufangen.
Mechthild von Magdeburg (1207-1282)
Da sprach sie [die Jungfrau, das ist die Seele, zum Jüngling, welcher ist Christus]:
Ich tanze, Herr, wenn du mich führest!
Soll ich sehr springen,
mußt Du anfangen zu singen.
Dann springe ich in die Minne,
von der Minne in die Erkenntnis,
von der Erkenntnis in den Genuß,
vom Genuß über alle menschlichen Sinne.
Dort will ich verharren und doch höher kreisen.
(Mechthild von Magdeburg: Das fließende Licht der Gottheit, hg.v. Margot Schmidt. MyGG I/11, Stuttgart-Bad Cannstadt 1995, I/44, S. 31)
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Das Herz ist ein Muskel mit Muße. Er unterscheidet sich von allen anderen Muskeln. Er wird nicht müde; denn in jedem Herzschlag ist eine Ruhepause eingebaut. Für unser körperliches Herz ist das wesentlich, so daß es in aller Ruhe arbeitet.