29.5.2019

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Zeit ist ein Aspekt der Schöpfung. Die Ewigkeit kennt keine Zeit. Aus ihr wurden wir, ohne gefragt zu werden, in die Zeit geworfen, ohne Mitspracherecht, ob als Junge oder als Mädchen, in welchem Jahrhundert und in welchem Erdteil. Seltsamerweise wollen wir aus dieser Zeit nicht unbedingt wieder durch Sterben und Auferstehen zurück in die Ewigkeit. Wir sind uns zu selten bewußt, daß der Tod ein Verwandler ist.

Der Romantitel „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust (1871-1922) ließe sich auch als Suche nach der durch unsere heutige Schnellebigkeit verlorengehende Zeit verstehen. Wer kommt da noch mit? Die Welt beschleunigt sich in zunehmendem Tempo. Das wirbelt alles durcheinander. Wie gelingt es mir, entspannt mit dieser Situation umzugehen?

Es geht nicht darum, das moderne Tempo zu bremsen, sondern es richtig zu gestalten, wobei der Begriff Tempo nicht mehr den Kern der Sache trifft. Wichtig ist heute nicht nur die Geschwindigkeit der Veränderung, sondern die Rate, mit der sie sich ihrerseits modifiziert. In vielen Bereichen erleben wir eine derartige Beschleunigung, daß sich kaum noch erkennen läßt, welches Automodell zum Beispiel gerade das neueste ist. Die Leistungsfähigkeit von Computerchips verdoppelt sich innerhalb kürzester Zeit.

Wir haben es nicht mehr mit kontinuierlichen Veränderungen zu tun, sondern mit Prozessen riesigen Wachstums, die alles bisher Dagewesene sprengen. Die Ungeheuerlichkeit dieser Entwicklung können wir gar nicht mehr begreifen; denn unser Gehirn ist kaum noch in der Lage, die Dynamik dieser Entwicklung wirklich zu erfassen. Gewohntes verändert sich rasend schnell, und die Beschleunigung der Technik zieht unweigerlich soziale und kulturelle Wandlungen nach sich.

Zwar predigte bereits Heraklit (um 520 – um 460 v. Chr. G.), nichts sei beständiger als der Wandel, doch heute halten immer weniger Menschen damit Schritt. Viele beschäftigen sich dann lieber mit der Verklärung der Vergangenheit als mit der Gestaltung der Zukunft.

Da ich persönlich ein „Typ fester Gehalte“ bin, bemühe ich mich, beide Seiten zu leben, das heißt, im Augenblick präsent zu sein und das Jetzt zu leben.

Salvador Dali

Siehe auch „In Zeit und Ewigkeit“.