23.4.2021

Begegnung nach 25 Jahren

Gelegentlich wird Vergessenes durch die Medien in Erinnerung gerufen. So erhielt ich von einer eifrigen Leserin der Ruhr Nachrichten eine Zeitungsseite mit Fotos von Ereignissen in Schermbeck vor 25 Jahren. Ich habe damals auf Einladung von Diakon Ekkehard Liesmann bei der „Schermbecker Gruppe Omega“ einen Vortrag über Sterbebegleitung gehalten.

 

 

Spiritual Hans-Karl Seeger (r.)

Diakon Ekkehard Liesmann (2.v.r.)

 

In den vergangenen 25 Jahren habe ich vor allem durch die Begleitung von Sterbenden noch viel dazu gelernt. Insbesondere bin ich von der Vorstellung „Mors porta vitae – Der Tod ist das Tor zum Leben“ zu der Überzeugung gelangt, daß im Sterben die Schleier fallen.

 

In meinem sogenannten „Weisheitsbuch“ heißt es in dem Kapitel

 

 

 

 

Im Sterben fallen die Schleier

Ist die Geburt möglicherweise eine Beerdigung des irdischen Leibes ins Grab und unser Sterben eine Geburt ins Ewige Le­ben im verklärten Leib?

Es existiert die Vorstellung, das Grab sei so etwas wie das Tor zum jenseitigen Leben und Heimgang sei eine Rückkehr in den Schoß von Mutter Erde. Das Weizenkorn fällt in die Erde, stirbt und bringt reiche Frucht.

Im Sterben gehe ich nicht durch ein Tor in einen anderen Raum. Eher fallen da, wo ich bin, die Schleier. Der Schleier der Zeit zerreißt, der Wille zum JETZT erfüllt sich vollkommen. Ich neh­me dann voll wahr, wo ich schon immer seit Ewigkeit gewesen bin, in Gott. Vorher waren meine Augen gehalten. Jenseits der Dinge zeigt das große Ganze sein Gesicht nur verhüllt.

Im „Adorate te devote“ (vgl. Gotteslob Nr. 497) von Tho­mas von Aquin heißt es in der 7. Strophe „Lass die Schleier fal­len einst in deinem Licht, dass ich selig schaue, Herr, dein Angesicht.“

Ich muß achtgeben, daß mich der Tod lebendig findet und das Leben nicht tot. Der Tod ist die uns zugewandte Seite der Auferstehung.

„Es ist sehr gut denkbar, dass die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereitliegt, aber ver­hängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt dort, nicht feindselig, nicht widerwillig, nicht taub. Ruft man sie mit dem richtigen Wort, beim richtigen Namen, dann kommt sie.“ (Franz Kafka)

„Ich persönlich glaube eher, daß wir in die Gegenwart des Lichtes kommen und damit konfrontiert werden. Wer in das Licht will, der kann es, und wer sich nicht wohl fühlt im Licht, der dreht sich um und geht weg in die Dunkelheit, durch die eigene Wahl und Disposition. Auf gewisse Weise richtet sich jeder selbst. Ich kann mir vorstellen, daß es eher mit unserem eigenen geistigen Zustand zu tun hat, als mit einem detaillier­ten Verhör darüber, was wir getan oder nicht getan haben.“ (Rupert Sheldrake)

Ladislaus Boros entwickelte im Rahmen der christlichen Es­cha­tologie die sogenannte „Endentscheidungs-Hypo­the­se“, nach der im Augenblick des Todes des einzelnen alle Einzel­ak­te in eine letztlich gültige Entscheidung für oder gegen Gott zusammengefaßt werden. Er schrieb dazu: „Im Tod eröffnet sich die Möglichkeit zum ersten voll­per­sonalen Akt des Men­schen; somit ist er der seinsmäßig bevorzugte Ort des Bewußt­werdens, der Freiheit, der Gott­begegnung und der Entschei­dung über das ewige Schicksal.“

Paulus will klar­stellen, was es mit der Auferstehung Jesu auf sich hat (vgl. 1 Kor 15). Sie ist nicht gleich­zusetzen mit einer Rückkehr ins irdische Le­ben; denn dann stünde am Ende der Tod. Sie meint auch nicht die Auf­lösung in ein Meer der Un­end­lichkeit. Auferstehung ist die des „Leibes“ oder des „Flei­­­sches“, wie es früher im Glaubensbekenntnis gebetet wurde. Wir sollten unser irdisches Ende nicht im Sinn ei­nes naiven Bio­logismus be­trach­ten, sondern im Sinn biblischer An­thro­po­logie, daß ein Mensch eine Einheit aus Leib, Geist und See­le bildet. Nach Sokrates ist der Geist durchseelt und See­le und Leben sind durchgeistigt.

Wie stelle ich mir mein Sterben vor?

Wie umgehen mit dem Sterben geliebter Menschen?

„Den eignen Tod, den stirbt man nur; doch mit dem Tod der an­dern muss man leben.“ (Mascha Kaléko)

Das Gebet 2019 für einen 1940 Verstorbenen hilft diesem in sei­­ner Todesstunde; denn beide Zeitpunkte haben dieselbe Ent­­­­­­­fer­­nung zum Mittelpunkt der Ewigkeit. Im Kreisbogen gibt es das Vorzeitige und das Nachzeitige. In der Ewigkeit ist al­les gleichzeitig.

Wenn wir den Ver­storbenen loslassen, kann er uns wo­mög­lich im Traum er­­scheinen und uns trösten.

Trauer ist der Preis, den wir dafür zahlen, Liebe zu emp­fin­den. Der Tod stürzt alle Menschen in emotionalen Aufruhr, un­abhängig davon, wo sie leben und woran sie glauben. Doch das Verständnis vom Tod prägt die Art und Weise, wie Menschen damit umgehen. Der Glaube an Gott und ein Leben nach dem Tod ist vielen Trau­­ernden ein Trost. Trauer hilft, an einem Ver­­­­lust nicht zu­grunde zu gehen.

Ein Aspekt der unbekannten Wahrheit des Todes könnte sein, daß es ihn wohl nicht gäbe, wenn er sich im Prozeß der Evo­­lution nicht schon seit langem als sinnvoll erwiesen hätte. Alles Einzelne muß vergehen, damit das Leben als Ganzes wei­ter­gehen kann. Was stirbt, stirbt in Gott, das ALL-EINE, zu­rück.

Wie gehe ich mit Trauer um?