6.9.2019

Brot für den Tag 24

Bittet, dann wird euch gegeben (Mt 7,7)

Mittwoch 31.7.1991

Für den Menschen gebe es nur zwei Katastrophen, so meinte ein kluger Mensch, die erste sei die, daß sein Herzens­wunsch sich nicht erfülle und die zweite die, daß er sich erfülle.

Daß ein nicht erfüllter Wunsch einen Menschen unbefriedigt zurückläßt, ist wohl leicht einzusehen. Wie könnte einer sich etwas erbitten und zufrieden sein, wenn er es nicht bekommt. Aber wie kann es eine Katastrophe sein, wenn ein Wunsch er­füllt wird?

In unserem Leben gibt es die Polarität von Weg und Ziel. Was ist, wenn einer sein Ziel erreicht hat, wenn ein Traum sich erfüllt hat? Dann muß der Traum schnellstens erneuert werden und ein neues Ziel muß her. Ein Beispiel dafür ist der Berg­steiger Reinhold Messner. Er hatte das Ziel, alle Achttau­sender zu besteigen. Als das erfüllt war, verlegte er den Weg aus der Vertikalen in die Horizontale, er geht nun durch die Wüste Gobi.

Sisyphos führt einen ruchlosen Lebenswandel, zweimal über­listet er den Tod. Als Strafe dafür muß er in der Unterwelt immer wieder einen Fels­block auf einen Berg wälzen, der, am Gipfel angekommen, immer wieder an den Fuß des Berges zurückrollt. Dieser Mythos von Sisyphos bringt deutlich zum Ausdruck, daß einer nie nur oben sein kann, aber auch nie nur unten.

Es wäre eigentlich gut, wenn nie die Sehnsucht nach der Ferne aufbräche. Oft verlangt es uns in der vertraut be­drückenden Enge nach Ferne, wenn diese aber erreicht ist, dann wird die Ferne wieder zur Nähe und Enge. So birgt jede Nähe in sich Enge und Weite. Welches von beiden sie ist, hängt von unserem reinen Bewußtsein, von unserem rei­nen Geist ab. So kann auch ein Gefangener freier sein als sein Wärter.

Wir tun gut, wenn wir uns in unserem Beten nach dem richten, was Jesus uns zu beten lehrte.

Gebet:
Gott, dein Name werde geheiligt, dein Reich komme, dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden. Erlöse uns von allem Bösen und laß uns leben bei dir.