9.10.2019

Brot für den Tag 42

Seine Blitze erhellen den Erdkreis; die Erde sieht es und bebt (Ps 97,4)

Sonntag 22.5.1994

Die Menschen früherer Zeiten brachten das, was sie in der Natur erlebten, mit dem Wirken Gottes in Verbindung. Das lebt heute noch in Kindervorstellungen, wenn da beispielsweise Donner als das Schimpfen Gottes ausgelegt wird und das Abendrot als das Plätzchenbacken der Engel. Schon Zeus schleuderte die Blitze, und im Alten wie im Neuen Testament erfuhren die Menschen im Blitz Gottes Gegenwart. Im Psalm 97 werden die Menschen zur Freude darüber aufgerufen, daß Gott der Herrscher der Welt ist.

Zu Pfingsten ging es um eine Geistgegenwart, die die Menschen durch ihre Sinne erfuhren. Im Sturmesbrausen erschienen Zungen wie von Feuer. Die Betroffenen hatten später Schwierigkeiten, das Geschehene mit Worten auszudrücken. Jemand kam ihnen nahe, rührte sie leibhaftig an, drang in ihr Innerstes ein, heftig, aber nicht gewalttätig, einen verschlossenen Bereich öffnend, erfüllend, beseligend. Er, Gottes Heiliger Geist, übertrug ihnen, sie berührend, seine Kraft. Was geschah, geschah nicht im intellektuellen Stockwerk des Kopfes, es geschah an ihrem ganzen Leib.

Wir können uns dem Pfingstgeschehen nähern, wenn wir den Vorgang als Berührung, als Erschaffung und Veränderung durch Berührung betrachten. Gottes Geist rührt an, geht unter die Haut und begeistert auch den Leib. Wir beziehen in unser religiöses Leben meist nur unsere Seele ein, höchstens noch den Geist. Wir zählen eine Gemeinde nach Seelen, die ein geistliches Leben führen. Wann werden wir die Trennung von Seele und Leib überwinden? Wenn wir mit dem Pfingstgeschehen so schwer Kontakt bekommen, mag es auch daran liegen, daß wir keine Kultur der Sinne, der Berührungen, der Zärtlichkeit entwickelt haben.

Gebet:
Atme in mir, du heiliger Geist, daß ich mit Leib, Geist und Seele erfüllt werde von deiner lebendigen Gegenwart!