
17.4.2020
Brot für den Tag 62
Sie sagte sich: Wenn ich auch nur sein Gewand berühre, werde ich geheilt (Mk 5,28)

Samstag 3.8.1996
Es sieht so aus, als gäbe es heute weniger verschämte Arme und Kranke als früher. Schon das Wort „verschämt“ ist kaum noch bekannt. Die Frau in unserem Evangelium gehört zu den verschämten Kranken. Am Ende rechnet sie es sich noch selbst als Schuld an, daß man ihr bisher nicht helfen konnte, wieviel sie auch dafür bezahlt haben mochte. Erschwerend kommt noch hinzu, daß die Krankheit des Blutflusses sie kultisch unrein machte.
Bei all ihrer Hoffnungslosigkeit hört sie von Jesus. Ihn betrachtet sie nicht als noch einen weiteren Arzt, mit dem sie es versuchen könnte. Wir lesen im Text nicht, wieso sie noch einmal Hoffnung schöpft. Aber sie wagt etwas Ungeheures: Sie, die Unreine, berührt diesen Rabbi. Das muß doch helfen. Sie wagt es nicht von vorne durch eine Begegnung von Angesicht zu Angesicht, sondern berührt den Saum seines Gewandes. Und Jesus hilft sofort, auf der Stelle.
Die Jünger wundern sich, daß er im Gedränge eine einzelne Berührung bemerkt. Dies geschieht, weil von beiden Seiten mehr da ist als nur Berührung. So zum Beispiel hört eine Mutter im Schlaf das Wimmern ihres Säuglings, während sie den vorbeifahrenden Lastwagen nicht wahrnimmt, weil sie zu diesem keine Beziehung hat. Ähnlich mag es auch bei Jesus sein. Er ist in Liebe ausgerichtet auf die, die an ihn glauben. Dieser Glaube ist bei der Frau zwar sehr magisch, aber er kann wachsen. Jesus weist sie nicht zurecht, sondern sagt zu ihr: „Meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen. Geh in Frieden! Du sollst von deinem Leiden geheilt sein“ (Vers 35).
Glauben wir auch so an die Kraft der Nähe und Berührung? Viele Menschen berühren sich eher mit Gewalt als mit Zärtlichkeit. Aber es gibt die Kraft der Berührung auch heute. Handauflegen ist nur eine der möglichen Formen. So geht es bei der Sakramentenspendung nicht nur um das „Gnadenmittel“, sondern es ist auch entscheidend, wie dieses gespendet wird, ob zum Beispiel ein liebevoller Blick und eine liebevolle Berührung damit verbunden sind.
Gebet:
Guter Gott, du kommst uns nahe in deinem Sohn. Er ist unser Bruder geworden und will uns nahe sein in jedem Bruder und in jeder Schwester. Laß uns erkennen, daß auch wir durch Nähe heilen können und selbst heil werden!