7.5.2020

Brot für den Tag 66

Da fragte Jesus: Wer hat mich berührt? (Lk 8,45)

Mittwoch 5.2.1997

Es ist schon eigenartig, wenn Jesus, der in der Menge fast erdrückt wird (Vers 42), fragt, wer ihn wohl berührt habe. Nun hatte die kranke Frau ihn auch in ei­ner besonderen Intention berührt (vgl. Vers 44), und die Berührung war heilend.

Im Zuge der Versachlichung des Menschen haben in unserer Zeit Berührung und erst recht der Hautkontakt an Bedeu­tung eingebüßt und werden mehr und mehr nur der Trieb­welt zugeordnet. Welcher Arzt be-hand-elt noch wirklich. Unser Tastsinn ist weitgehend eingeschlafen, und es kommt nicht von ungefähr, daß wir heute häufig an zwei extremen Symptomen leiden, an der „Elefantenhaut“ oder an der „Hautlosigkeit“. Wer nichts an seine Haut heran­kommen läßt, hat es schwer, tastend mittels der Haut ei­ne Empfindung wahrzunehmen. Wer seinen Seelenraum nicht abgrenzen kann, wird bei Tastübungen merken, daß er bei­nahe keine leibliche Grenze zu Dingen fühlt und so die nötige Distanz dazu verliert.

Berühren und berührt werden, ganz bei sich sein und ganz beim anderen, sind Quellen des Glücks. Zärtlichkeit ge­hört zu den ersten Erfahrungen des Menschen. Sie legt den Grund für das Urvertrauen von Anfang an. Zärtlich­keiten lassen sich nicht aufdrängen, sie sind keine Me­thode, kein Mittel, um an einen Menschen heranzukommen. Zärtlichkeit verlangt ein Gespür dafür, wieviel Distanz der andere braucht und wieviel Nähe er verträgt. Zärt­lichkeiten lassen sich nicht machen, sie müssen aus ei­nem Gefühl der Zuneigung erwachsen; aber nicht nur unter der Frage: „Was ist gut für mich?“, sondern auch unter der Frage: „Was ist gut für dich?“ Nicht immer sind Menschen in der Lage, zärtlich miteinander umzugehen.

Berührung geschieht von außen, jedoch hat jede Berührung eine Innenseite. Eine Berührung kann das Innerste unse­rer Person treffen, so daß wir bis ins Tiefste beglückt oder auch erschüttert und verstört sein können. Wenn wir jemanden berühren, vermitteln wir, was uns am Herzen liegt, was unser Herz sinnt.

Gebet:
Heiliger Gott, du umschließt mich von allen Seiten und legst deine Hand auf mich (Ps 139,5).