12.1.2021

Brot für den Tag 84

„Du bist meine Huld und Burg, meine Festung, mein Retter“ (Ps 144,2)

Sonntag 16.7.2000

Wer auf dem Weg ist und sich dabei womöglich Gefahren ausgesetzt sieht, sehnt sich nach einem Zufluchtsort. Als einen solchen haben die Beter des Psalmes, vor allem als Nomaden, Gott verstanden: Rettung durch Burg und Festung vor den Gefahren des Weges.

Bis in unsere Zeit galt vorwiegend ein statisches System und die Kirche sah man nach dem Bild der „Stadt auf dem Berge“ (vgl. Mt 5,14) oder Gott war „die feste Burg“ (Martin Luther 1483-1546). Das Lied „Ein Haus voll Glorie“ verbindet beide Bilder, wenn die vierte Strophe mit der Aussage beginnt „Sein wandernd Volk will leiten der Herr in dieser Zeit; er hält am Ziel der Zeiten dort ihm sein Haus bereit.“

Heute herrscht das dynamische System vor, und die Kirche wurde zum „Volk Gottes auf dem Weg“ (vgl. Apg 9,2). Gott sah man früher als den „unbewegten Beweger“ (Thomas von Aquin 1225-1274); „der unbewegte Beweger bewegt sich“, so war es bei einem theologischen Gespräch zwischen Kardinal Ratzinger und Professor Metz in Ahaus zu hören. Gott hat den Menschen geschaffen, der Mensch aber macht sich einen Gott. Wir sollten vorsichtig sein, Gott auf ein Bild festzulegen. Gott ist immer größer und immer kleiner als das, was wir von ihm sagen.

Wenn früher gelegentlich die Zeiten wechselten, in denen einmal mehr die Kirche als „Stadt auf dem Berge“ oder als „Volk auf dem Weg“ gesehen wurde, so können wir unserer schnellebigen Zeit den Vorteil abgewinnen, daß beide Bilder gleichzeitig bestehen und ihre Wirkung haben.

Gebet:
Gott, in dem alle Gegensätze zusammenfallen, hilf mir, die Gegensätze auf Erden auszuhalten und sie wie ein Brückenbauer zu verbinden.