9.2.2021

Brot für den Tag 90

Was habe ich mit dir zu tun, Jesus, Sohn des höchsten Gottes? (Mk 4,7)

Samstag 22.7.2000

Diese merkwürdige Geschichte des Besessenen von Gerasa zeigt das Wirken Jesu in göttlicher Macht.

Angefangen von den Weisen aus dem Morgenland (Mt 2,1-12) bis zum Hauptmann unter dem Kreuz (Mk 15,39 par.) sind es die Fremden, die in Jesus Gottes Sohn er­kennen. Zu ihnen gehören auch die Besessenen, während die Gesunden und die Jesus nahe Stehenden nur den Zim­mermannssohn erkennen (Mt 13,55).

Fremdes fasziniert und ängstigt, und die Begegnung mit dem Fremden ist nicht nur eine Begegnung mit Unbekann­tem, über das aufzuklären genügte. Sie hat Tiefgang, sie zieht sozusagen wie ein Magnet in Sekundenschnelle sowohl indi­viduelle als auch kollektive unbewußte Seiten unseres Erle­bens aus der Tiefe empor, die unsere bewußten Auseinan­dersetzungen mehr bestimmen als uns lieb ist. In unser Unbewußtes verlagern wir konflikthafte Seiten unseres Erlebens und lassen sie uns selbst gegenüber fremd wer­den.

Was uns fremd ist, rücken wir von uns ab und charakteri­sieren es mit uns fernen und unheimlichen Vorstellungen. Was fremd ist, zieht aber auch an.

Das erlebt der Besessene und Jesus hilft ihm, die Fremd­heit zu überwinden. So ist verständlich, daß dieser bei ihm bleiben will, aber er muß zurück in das Vertraute seiner Familie, um auch sie zum Glauben zu bringen.

Es hat auch Nachteile, wenn wir uns Gott zu vertraut ge­macht haben; er fasziniert nicht mehr. Es ist schwer, die rechte Distanz zu wahren.

Gebet:
Gott, du hast uns geschaffen, doch wir kennen dich kaum. Du liebst uns, und doch bist du uns fremd. Offenbare dich deiner Gemeinde. Zeig uns dein Gesicht. Lehr uns dich erkennen, dich verstehen, dich lieben.