5.3.2022

Bußandacht zum Thema „Das Labyrinth als Bild für den Weg Gottes mit uns“

Einleitung

Unser Leben ist wie ein Weg. Dieser soll immer möglichst gerade und ohne Abweichungen verlaufen. Was sonst passieren kann, zeigt uns das Grimmsche Märchen „Rotkäppchen“.

Wenn wir aber unser Leben betrachten, sehen wir Umwege, Abwege und Irrwege. Oft waren wir auch auf dem Holzweg, einem Weg im Wald zum Abtransport von Holz, der nicht weiterführt.

Vermutlich ähnelt unser Weg eher den verschlungenen Wegen im Labyrinth. Können wir glauben, daß Gott all diese Wege mitgeht?

Gebet

Guter und barmherziger Gott!
Du bist in deinem Sohn Jesus Christus unser Weg geworden.
Wir vertrauen darauf, daß du all unsere Wege mitgehst.
Hilf uns, bei allen Umwegen, Abwegen und Irrwegen das Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren.
Wir möchten uns heute neu auf unseren Weg besinnen, schenke uns dazu deine Gnade.
So bitten wir durch Christus, unsern Herrn.
Amen.

Lesung: Joh 14,1-6

Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr. Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen? Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.

Psalm 1 – GL 31

Weisung zur Wahl des rechten Weges
Selig der Mann, der nicht nach dem Rat der Frevler geht, nicht auf dem Weg der Sünder steht, nicht im Kreis der Spötter sitzt, sondern sein Gefallen hat an der Weisung des HERRN, bei Tag und bei Nacht über seine Weisung nachsinnt. Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Bächen voll Wasser, der zur rechten Zeit seine Frucht bringt und dessen Blätter nicht welken. Alles, was er tut, es wird ihm gelingen. Nicht so die Frevler: Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. Darum werden die Frevler im Gericht nicht bestehen noch die Sünder in der Gemeinde der Gerechten. Denn der HERR kennt den Weg der Gerechten, der Weg der Frevler aber verliert sich.

Gedanken zur Gewissenserforschung

Unser Leben ist ein Geheimnis, ein Weg des Suchens.

Viele Menschen irren umher und wissen nicht, wie, wo und was sie suchen.

Der Weg des Labyrinthes ist unserer Lebenssituation vergleichbar.

Ein Labyrinth ist kein Irrgarten.

Ein Irrgarten ist nicht kreuzungsfrei, er hat Sackgassen und neben einem oder mehreren Eingängen einen oder mehrere Ausgänge.

Beim Labyrinth ist der einzige Eingang zugleich der Ausgang.

Hinein und Hinaus, Hinweg und Rückweg bilden in entgegengesetzter Gleichheit ein zusammengehöriges Ganzes.

Die einzige „Sackgasse“ eines Labyrinthes auf dem kreuzungsfreien Weg liegt im Zentrum.

Daher müssen wir den Weg durch das Labyrinth als eine Entscheidungssituation verstehen.

Erst durch den völligen Abstieg in die Tiefe des Labyrinthes, die zugleich Mitte und Wendepunkt darstellt, erreichen wir das Ziel; denn von der erlangten Mitte aus können wir den heilsamen und fruchtbaren Rückweg antreten.

Das Gesetz dieses Weges lautet: Man gelangt nur so hoch hinauf, wie man sich „vertieft“.

Das bekannteste Labyrinth befindet sich auf Kreta.

Dädalus baute im Auftrag des Königs Minos für dessen Sohn Minotaurus eine Wohnung, die durch höhlenartige Irrgänge zu erreichen war.

Alljährlich wurden dem Minotaurus sieben Jungen und sieben Mädchen als Opfer vorgeworfen.

Dazu gehörte einmal der griechische Königssohn Theseus.

In ihn verliebte sich Ariadne, die Tochter des Minos.

Sie gab ihm ein Wollknäuel und ein Licht als Wegweiser und Leuchte mit auf den Weg.

In anderen Überlieferungen gehörte auch das Schwert dazu.

Mit diesen Hilfsmitteln bezwang Theseus den Minotaurus.

In einer Version der Sage heißt es, das Wollknäuel müsse an den Eingang gelegt werden und zeige dann den Weg zum Minotaurus.

Das Bewußtwerden des Weges als Denkweg kann im Bild eines durchgehenden Fadens erscheinen.

Bricht der Faden ab, verfällt das Wachbewußtsein dem Schlaf.

Der Ariadnefaden wurde in den antiken Labyrinthtänzen auch äußerlich als Tanzseil verwendet, das den Reigen stärker zusammenband.

Ähnlich geschieht es in der Polonäse.

Offensichtlich handelte es sich um einen roten Faden.

In das verschlungene Unbewußte steigt der Held hinab, und die rote Spur zeigt ihm den Weg zurück in das klare Bewußtsein.

Das ist die Spur der Seele (Anima), die den Helden in das Innere führt, wo er seinen wichtigsten Kampf zu bestehen hat.

Das Chaos des Labyrinthes verliert nun plötzlich seinen Schrecken durch die Magie des roten Fadens.

Es wird zu einem Ort, den der Mensch unbeschadet zu erkunden vermag; denn die Magie des roten Fadens läßt ihn seine Richtung nicht aus den Augen verlieren, so daß er weder fehlgeht noch umherirrt.

Schaut man sich eine Labyrinthzeichnung an, so zeigt sich der Ariadnefaden wie eine „Wegekarte“.

Bis ins Mittelalter sahen die Christen Jesus Christus als den neuen Theseus, der am Karfreitag in die Todesspirale hinabstieg, um Tod und Teufel zu besiegen und zu Ostern die dort eingeschlossenen Menschen wieder heraus ins Licht und zum Leben zu führen.

Sünde könnte in diesen Bildern bedeuten, den Faden abzuschneiden; denn in der Sünde sondere ich mich ab, indem ich mich und mein Denken absolut setze.

Buße bedeutet dann, diesen Faden erneut zu knüpfen, beziehungsweise knüpfen zu lassen.

Wir kennen die drei Grundlagen jeder Gewissenserforschung:

Mein Verhältnis zu Gott

Ist Gott in Jesus für mich der Weg meines Lebens?

Bin ich bereit, den „Weg zu gehen, den ich geführt werde“?

Erfülle ich in meinem Leben Gottes Willen?

Mein Verhältnis zum Nächsten

Ich gehe den Weg nicht alleine, sondern lebe in Beziehungen.

Habe ich die Verbindung gesehen und gepflegt?

Habe ich eingegangene Bindungen in Ehe, Freundschaft und sonstigen Beziehungen

ernst genommen?

Habe ich das Seil gehalten, wenn andere abzustürzen drohten?

Mein Verhältnis zu mir selbst

Zur Reife des Lebens gehört es einzusehen, daß ich meinen Weg nicht ohne Umwege, Abwege, Irrwege und Holzwege gehen kann.

Habe ich erkannt, daß nicht das Fallen das Schlimme ist, sondern das Liegenbleiben?

Wie lange habe ich gebraucht, bis ich nach einem Fall wieder aufgestanden bin?

Könnte mein Motto auch lauten: „Immer einmal mehr aufstehen als hinfallen“?

Wie den verlorenen Sohn läßt auch mich der Vater nie aus seinem Blick, wann und wo schaue ich nach ihm?

* * * * *

Im Labyrinth gelangt man nach vielen Windungen in die Mitte.

Man kann von der Vorstellung leben, so das Ziel zu erreichen.

Nach der Sage gilt es aber, in der Mitte einen Kampf zu bestehen.

Der Minotaurus ist ein Bild für mich selbst, für das in mir, was mich verderben will.

Bin ich bereit, diesen Kampf auf mich zu nehmen, um danach als Sieger das Labyrinth wieder zu verlassen?

Der Weg ins Labyrinth führt immer enger in die Mitte des Kampfes, der Weg heraus führt immer mehr in die Weite.

„Weite“ bedeutet hier Umkehr, Bekehrung und neues Leben.

Es ist wichtig, nicht in alte Fehler zurückzufallen.

Buße kann auch heißen: „Laß dir etwas Neues einfallen!“

 

Marie Luise Kaschnitz (1901-1974)

Das Labyrinth
Traumgärten spielerisch sich zu verirren,
Ersannen wir und liebten ihre Schatten.
Und waren stolz die Fäden zu entwirren,
Die wir erfinderisch verschlungen hatten.

Von anderer Art sind nun die Labyrinthe
Und gleichen Gärten nicht und Heckenwegen.
Und lächelnd tritt uns nicht im Laubgewinde
Der Liebste hier und dort der Freund entgegen.

Nur eines ist gemeint. Hindurchzufinden.
Nur eine Richtung und nur eine Kraft.
Und um uns her müht eine Schar von Blinden
in unterweltlich drängendem Bestreben
Mit Stoß und Schlag und Schrei und Leidenschaft
sich um den einen Ausweg: Um das Leben.

Vergebungsbitte

Da Gottes Liebe keine Grenzen kennt und er unseren Willen zur Umkehr sieht, erbarme er sich unser. Der allmächtige und barmherzige Gott lasse uns die Sünden nach und führe uns ins ewige Leben. Amen.
Gehet hin in Frieden!