
Christi Himmelfahrt im Jahreskreis C (30.5.2019)
Schriftstellen:
Erste Lesung: Apg 1,1-11
Zweite Lesung: Eph 1,17-23
Evangelium: Lk 24,46-53
Wissen Sie es schon? Christ ist erstanden und aufgefahren in den Himmel! Glauben Sie es auch?
Vor 2000 Jahren lebten die Menschen noch in und mit einem anderen Weltbild. Wie sie sich die Himmelfahrt Jesu vorstellten, haben wir in der Lesung gehört. Der Himmel war oben und die Hölle irgendwo unten. Bilder von dem Ereignis der Himmelfahrt zeigen Jesus, wie er in den Wolken verschwindet und nur noch seine Beine und Füße zu sehen sind.
Vor vielen Jahren war der damalige Staatschef der Sowjetunion Leonid Breschnew (1906-1982) an einem solchen Fest wie heute in Deutschland zu Besuch. Als der Dolmetscher unsere Bezeichnung für das heutige Fest übersetzen mußte, machte er daraus „Tag der Luftfahrt“.
Fragen wir uns doch einmal, ob der Begriff „Himmelfahrt“ nicht auch tief in uns Assoziationen an Weltraumfahrt und Aufstieg in den Himmel über den Sternen erweckt. Also noch etwas höher als in den „siebten Himmel der Liebe“. Die ersten Weltraumfahrer äußerten, Gott hätten sie dort oben jedenfalls nicht gesehen.
Was kommt nach dem Tod? Für Jesus kam nach drei Tagen die Auferstehung und nach 40 Tagen, in denen er seinen Jüngern des öfteren erschien, bei der letzten Erscheinung die Himmelfahrt.
Heute beschäftigt uns nicht die Frage, ob er uns durch seine Himmelfahrt entrückt ist oder vielleicht sogar viel näher ist durch seinen Heiligen Geist, um dessen Kommen wir in der Pfingstnovene ab heute beten, sondern die Frage: „Was geschieht mit uns im Sterben und im Tod?“
Für mich ist das Sterben eine Verwandlung und der Tod eine besondere Form des Lebens. Aber können wir das wirklich glauben?
Wenn Gott das Leben ist und alles, was nicht er ist, von ihm stammt, dann ist alles vom Leben beseelt, auch das, was wir als tot bezeichnen, wie zum Beispiel die Steine.
Wir glauben ja noch nicht einmal, daß die Bank, auf der wir sitzen, und der Raum um uns herum nicht fest sind. Doch die Physiker sagen es uns. Es gibt nichts Festes, alles ist Schwingung. Das für unteilbar gehaltene Atom ist ein Mikrokosmos, in dem alles schwingt. Es ist beschämend für uns Christen, wie gläubig Naturwissenschaftler sein können. Günter Ewald (1929-2015), Professor für Mathematik, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Gibt es ein Jenseits? – Auferstehungsglaube und Naturwissenschaft“. Es ist faszinierend, wie er wissenschaftlich nachweist, daß es eine Wirklichkeit hinter unserer Wirklichkeit geben muß. Er behauptet, ein erweitertes Naturverständnis, in dem jedes menschliche Individuum fortbestehe, sei im Rahmen naturwissenschaftlichen Denkens möglich und sinnvoll. Er untersucht Erlebnisse in Todesnähe aus der Sicht des Naturwissenschaftlers.
Die biologische Evolution hat im Menschen ihr Ziel erreicht. Jeder einzelne Mensch ist eine Frucht am Baum der Evolution, die im Tod vom Baum fällt, aber im erweiterten Kosmos bestehenbleibt. Der erweitert gedachten Natur gehen ihre Toten nicht verloren. Wir Menschen werden im biologischen Tod nicht ins Nichts fallen.
Ich selbst habe es aufgegeben, mir den Himmel konkret vorzustellen. Für mich ist eine wichtige Erfahrung dieses Erdenlebens die Polarität, die manchmal schwer auszuhalten ist. Wir sind geneigt, nur einen Pol zu akzeptieren. Leben ist Spannung. Himmel ist für mich Entspannung, „Coincidentia oppositorum – Zusammenfall der Gegensätze“, wie Nikolaus von Kues (1401-1464) es formuliert hat. Wir sollen „pontifex oppositorum – Brückenbauer“ sein. Das bedeutet, nie das Ganze zu sein und das Andere gelten zu lassen. Das führt zu Toleranz und kann ein wenig Himmel auf Erden erleben lassen.