
Christkönigssonntag im Jahreskreis C – (24.11.2019)
„Christus, mein König, Dir allein, schwör ich die Liebe lilienrein, bis in den Tod, die Treue.“
Erste Lesung: 2 Sam 5,1-3
Zweite Lesung: Kol 1,12-20
Evangelium: Lk 23,35b-43
Bereits seit 1915 sang man dieses Lied des bedeutenden Jesuitentheologen Erich Przywara (1889-1972). Die Älteren kennen es noch aus der Jugendbewegung. Ich habe es als Junge kräftig mitgesungen.
Das Christkönigsfest war in der damaligen Zeit als ein Fest des Widerstandes zu verstehen, als ein eindeutiges Veto gegen die „Abkehr der Einzelnen und des Staates von Gott“ (Pius XI. 1857-1939). Zahlreiche Blutzeugen in der Zeit des Nationalsozialismus sind mit dem Ruf „Es lebe Christus der König!“ in den Tod gegangen.
Meine Heimatkirche in Kleve ist eine Christus-König-Kirche. Dort habe ich als Kommunionkind das Gebet „O mein Heiland, großer König, Du bist bei mir eingekehrt“ gelernt, das ich oft nur heruntergebetet habe.
O mein Heiland, großer König,
Du bist bei mir eingekehrt,
freudig trag ich Dich im Herzen,
dem die ganze Welt gehört.
Sieh, nun sollst Du alles haben,
was in meinem Herzen ist;
alles leg ich Dir zu Füßen,
weil Du ja mein König bist.
Lieber Herr, Du kamst vom Himmel
auf die Erde einst herab,
lebtest für uns Menschenkinder,
starbst am Kreuz und lagst im Grab.
Glorreich bist Du auferstanden,
fuhrst empor zum Firmament;
doch als Denkmal Deiner Liebe
gabst Du uns dies Sakrament.
Schenke mir nun Deine Gnade,
hilf mir durch Dein Fleisch und Blut,
daß ich Deiner würdig werde,
lebe heilig, fromm und gut.
Lehr mich glauben, lehr mich lieben,
lehr mich kämpfen für Dein Reich,
daß mein junges Menschenleben
Deinem Leben werde gleich.
Christus, König aller Länder,
aller Völker, aller Zeit,
froh soll alle Welt Dir singen:
Hochgelobt in Ewigkeit.
Nach dem Zweiten Weltkrieg
Vor dem Zweiten Weltkrieg
Eine Königsherrschaft habe ich nicht erlebt, sondern ich durfte abgesehen von den drei Jahren Weimarer Republik, 12 Jahren Diktatur und der kurzen Zeit Trizonesien nach dem Krieg immer in einer Demokratie leben. Aber vermutlich hat es auch seinen Reiz, unter einem wirklichen König zu leben.
Aber Jesus als König? So hat er nicht gelebt. Eher wie ein verkleideter Königssohn. Am Kreuz jedoch war er dann ein König, seine Ohnmacht war seine Macht. So ist er auch auf den frühen Kreuzen dargestellt.
Den leidenden Heiland am Kreuz schufen die Künstler erst später. Höhepunkt ist der Gekreuzigte auf dem Isenheimer Altarbild von Matthias Grünewald (1470-1528), der jeden Zentimeter der Haut Jesu als Wunde gemalt hat.
Adolf Hitler (1889-1945) wollte der alleinige Führer sein und entwickelte sich zu einem Diktator „ersten Ranges“. Wer hätte gedacht, daß es in der Welt nach zwei Weltkriegen wieder Diktatoren gäbe; wenn auch demokratisch gewählt, was allerdings auch bei Adolf Hitler der Fall war. Ist es die Sehnsucht nach dem starken Mann oder gar der starken Frau? Sind wir überhaupt erwachsen genug für eine Demokratie?
Schon das Volk Israel wollte wie alle Völker damals einen König. Aber es konnte nur derjenige König werden, der auch ein guter Hirte war und nicht von seinen Schafen lebte, sondern für sie.
Lassen wir Christus den König in unseren Seelen herrschen? Leider sind nach 1945 die Christkönigslieder nicht mehr im Gesangsteil der Gebetbücher zu finden. Aber gilt nicht auch heute der Appell des 1934 von Franz Morthorst (1894-1970) verfaßten Liedtextes:
„Uns rufet die Stunde, uns dränget die Zeit. Zu Wächtern, zu Rittern hat Gott uns geweiht. Zum Trotzen und Tragen, zum Ringen und Wagen, so stehn unsre Scharen bereit.
Es wehen die Banner, wir schreiten voran. Es lodern die Fahnen, wir streben bergan. Kein Rasten, kein Stehen, im Sturm zu den Höhen! Hier gilt nur der mutige Mann“?
Das heute insbesondere bei Beerdigungen gesungene Lied „Wir sind nur Gast auf Erden“ war 1935 als Protestlied gedacht:
„Wir sind nur Gast auf Erden
und wandern ohne Ruh
mit mancherlei Beschwerden
der ewigen H e i m a t zu.
Die Wege sind verlassen,
und oft sind wir allein.
In diesen grauen Gassen
will niemand bei uns sein.
Nur einer gibt Geleite,
das ist der liebe Christ;
er wandert treu zur Seite,
wenn alles uns vergisst.“
(Gotteslob Nr. 505)
Karl Leisner (1915-1945) hatte im Gefängnis in Freiburg kein Tagebuch und verwendete freie Seiten im Brevier für Notizen. Sein erster Eintrag am Montag, dem 13. November 1939, lautet:
Gast auf ErdeWir sind nur Gast auf Erden
und wandern ohne Ruh’
mit mancherlei Beschwerden
der ewigen Heimat zu.
REX REGUM [König der Könige]
Die Wege sind verlassen
und oft sind wir allein –
in diesen trüben Gassen
will niemand bei uns sein.
Doch einer gibt Geleite,
das ist der Herre Christ!
Er steht uns treu zur Seite,
wenn alles uns vergißt!
Er hat vermutlich aus dem Gedächtnis zitiert. Interessant ist die Veränderung einzelner Zeilen: „In diesen grauen Gassen“ wurde zu „trüben Gassen“; denn seine Situation war mehr als grau. Vielleicht wollte er auch „braunen Gassen“ schreiben. Aus „Nur einer gibt Geleite“ wurde „Doch einer“, was größere Zuversicht ausdrückt; aus „wandert“ wurde „steht uns“; denn in der Gefängniszelle kann von Wandern keine Rede sein.
Vermutlich war ihm bewußt, daß Georg Thurmair (1909-1984), neben Ludwig Wolker (1887-1955) und Romano Guardini (1885-1968) einer der gescheitesten Köpfe der Jugendbewegung des 20. Jahrhunderts, dieses Lied vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund des Jahres 1935 als Kampflied gegen die „Tausendjährigen“ konzipiert hatte. Adolf Hitler verkündete am 1. September 1933 offiziell, der von ihm geführte Staat sei ein „Drittes Reich“, das „tausend Jahre“ dauern werde.
Die Begriffe „Tausendjähriges Reich“ und „Drittes Reich“, wie sie die Nationalsozialisten verwendeten, griffen die „Symbole apokalyptischer Geschichtsspekulation für die Endphase der Geschichte auf“ (Klaus Vondung, * 1941).
Das „Tausendjährige Reich“ dauerte 12 Jahre, Gottes Reich erwarten wir mit Zuversicht. Karl Leisner hat neben den Liedtext Chi-Rho und REX REGUM gezeichnet beziehungsweise geschrieben, vermutlich um auszudrücken, daß für ihn persönlich Christus mit seinem Reich der wahre Führer war.
Meine Gedanken kreisen um die Fragen: Wer ist dieser Jesus Christus für mich? Welche Beziehung habe ich tatsächlich zu ihm? Welchen Platz gebe ich oder lasse ich ihm in meinem Leben? Es kommt heute nicht nur darauf an, mit der Kenntnis des Katechismus, die jedoch heute bei vielen Christen kaum noch vorhanden ist, um Gott zu wissen, sondern es ist wichtig, ihn zu erfahren und in sich die Sehnsucht nach dem Gottesreich zu spüren, zu erleben, daß dieses ewige Reich immer schon da ist, nur unsere Augen noch gehalten sind. Karl Rahner (1904-1984) hat bereits 1966 formuliert: „Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer, der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein.“
Gemeint sind die Menschen aller Religionen, vor allem weil sie durch die Globalisierung einander so nahe kommen.
Geben wir dem König der Welt, Christus, Raum in unserem Leben!