
28.11.2019
Das angelehnte Schloß
Ein König stellte für einen wichtigen Posten den Hofstaat auf die Probe. Kräftige und weise Männer umstanden ihn in großer Menge. „lhr weisen Männer“, sprach der König, „ich habe ein Problem, und ich möchte sehen, wer von euch in der Lage ist, dieses Problem zu lösen.“ Er führte die Anwesenden zu einem riesengroßen Türschloß, so groß. wie es keiner je gesehen hatte. Der König erklärte: „Hier seht ihr das größte und schwerste Schloß, das es in meinem Reich je gab. Wer von euch ist in der Lage, das Schloß zu öffnen?“
Ein Teil der Höflinge schüttelte nur verneinend den Kopf. Einige, die zu den Weisen zählten, schauten sich das Schloß näher an, gaben aber zu, sie könnten es nicht schaffen. Als die Weisen dies gesagt hatten, war sich auch der Rest des Hofstaates einig, dieses Problem sei zu schwer, als daß sie es lösen könnten. Nur ein Wesir ging an das Schloß heran. Er untersuchte es mit Blicken und Fingern, versuchte es auf die verschiedensten Weisen zu bewegen und zog schließlich mit einem Ruck daran. Und siehe, das Schloß öffnete sich. Das Schloß war nur angelehnt gewesen, nicht ganz zugeschnappt, und es bedurfte nichts weiter als des Mutes und der Bereitschaft, dies zu begreifen und beherzt zu handeln.
Der König sprach: „Du wirst die Stelle am Hof erhalten, denn du verläßt dich nicht nur auf das, was du siehst oder was du hörst, sondern setzt selber deine eigenen Kräfte ein und wagst eine Probe.“ (Nossrat Peseschkian 1933-2010)
Vor dem Gesetz
In der sogenannten „Türhüterparabel“ versucht ein Mann in das „Gesetz“ einzutreten. Der Türhüter sagt ihm, dies sei möglich, im Augenblick jedoch nicht.
Daraufhin wartet der Mann Tage, Jahre, ja sein ganzes Leben lang, daß ihn der Türhüter hineinläßt.
Kurz vor seinem Tod fragt er den Türhüter, warum kein anderer Mensch jemals um Einlaß gebeten habe. Der Türhüter antwortet: „Hier konnte niemand sonst Einlaß erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.“ (Franz Kafka 1883-1924)
Tauet Himmel den Gerechten
Tauet, Himmel, den Gerechten!
Wolken, regnet ihn herab«,
rief das Volk in bangen Nächten,
dem Gott die Verheißung gab,
einst den Mittler selbst zu sehen
und zum Himmel einzugehen;
denn verschlossen war das Tor,
bis der Heiland trat hervor.
Das Lied besingt nicht nur eine Hoffnung, es fordert sie ein: Tauet Himmel den Gerechten! Wolken regnet ihn herab ...
Wie verhalten wir uns?