19.8.2022

Das Gewebe des Lebens

Im Gewebe der Schöpfung bildet das Kreuz wie beim Webstuhl gleichsam Schuß und Kette und bewahrt sie vor dem Auseinanderfallen.

Gewebe von vorne und hinten

Alles, was Menschen erleben, findet in den Teppichen der Naturvölker und des Orients seinen Ausdruck. Leid und Schmerz, Traum und Sehnsucht, Gewinn und Verlust, Lüge und Wahrheit, Freude und Liebe wurden seit Jahrtausenden auf geheimnisvolle Weise in Teppiche gewoben. Das Knüpfen und Weben von Teppichen und Tüchern gehört zu den ältesten Fähigkeiten des Menschen und steht am Anfang unserer Kultur.

Betrachtet man einen Teppich von der richtigen Seite, ist er ein fehlerlos gewebtes Kunstwerk, das die unterschiedlichsten Fäden zu einem lebendigen Bild verknüpft hat. Geknüpfte Teppiche haben eine völlig andere Unterseite.

Verfügt nicht jeder von uns auch über ein eigenes unverwechselbares Muster mit einer schönen, ansprechenden und einer ungeordneten, wirren Seite?

Thornton Wilder (1897-1975) schreibt in seinem Roman „Die acht Tage“:
„Gott hat für das Leben eines jeden Menschen ein Muster gewebt, das wie ein Teppich zwei Seiten hat. Die Fäden dieses Musters symbolisieren die Stationen unseres Lebens, und nur von oben gesehen – aus Gottes Perspektive – hat jeder Knoten, jeder Faden seinen Platz und wird zum harmonischen Kunstwerk unseres Lebens, wie Gott es gewoben hat.“

 

 

Häuptling Seattle (1786-1866) sagte in seiner berühmt gewordenen Rede 1855 an den damaligen Präsidenten Juan Álvarez Benítez (1790-1867) der USA:
„Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer ihr dem Gewebe antut, das tut ihr euch selbst an.“

 

Gott überblickt das Ganze. Er hält die Fäden in der Hand. Der Wirrwarr von verschiedenen und scheinbar zusammenhanglosen Fäden und Knoten in unserem Leben irritiert ihn nicht und schreckt ihn auch nicht ab. Er hilft uns, bis unser Leben ein „harmonisches Kunstwerk“ geworden ist.