
8.7.2022
Das Leben ist schön
Zwischen Wahrheitsanspruch und Effizienz unseres Glaubens an einen letzten Sinn
Ergänzung zu Wie lebe ich mein Leben gelingend und erfüllend?
Trailer des Filmes „Das Leben ist schön“
Zusammenfassung des Filmes von Prof. Dr. Gerd Neuhaus 2002:
Der Film »Das Leben ist schön« gehört zweifellos zu den bewegendsten und ausdrucksstärksten Filmen der letzten Jahre. Er erzählt von dem KZ-Aufenthalt des italienischen Juden Guido Orefice, seines Sohnes Giosuė und seiner Frau Dora, die - obwohl keine Jüdin - ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn aus Solidarität ins Lager folgt, dort aber getrennt von ihnen lebt. Während der Vater genau um den tödlichen Ernst seiner Situation weiß, schafft er es, seinem kleinen Sohn durch ein aberwitziges Geflecht an Lügen zu versichern, alles dort Erlebte sei nur ein Spiel. Wer all die auferlegten Entbehrungen und Demütigungen am längsten durchhalte, erlange den Hauptgewinn: einen richtigen Panzer, den Giosuė sich so sehr zum Geburtstag gewünscht hat. Als am Ende sich die Alliierten nähern und die Lagerleitung mitsamt den überlebenden Insassen verschwunden ist, hat der Vater es geschafft, vor seiner eigenen Erschießung noch seinen Sohn in einem an einer Hauswand stehenden Kasten zu verstecken und ihm einzuschärfen, erst dann sein Versteck zu verlassen, wenn es im Lager absolut still geworden sei. Im übrigen könne es sein, dass es »lange dauert«, bis sie sich wiedersehen. Wenn er sich aber an die Anweisungen des Vaters halte, habe er endgültig gewonnen. Als es dann soweit ist und Giosuė sich aus seinem Versteck heraustraut, taucht bald aus der Ferne ein leises, aber schnell lauter werdendes und näherkommendes Donnern auf. Kurze Zeit später erreicht es unheimliche Dimensionen und um die Ecke biegt - ein amerikanischer Panzer. Giosuė laufen die Augen über vor Glück, und auch der amerikanische Panzerfahrer ist gerührt, bei der Besetzung eines KZ ausgerechnet einen so kleinen Insassen vorzufinden, der selig ist, den Panzer besteigen zu dürfen und auf der nun folgenden Fahrt durch die wunderschöne toskanische Landschaft sich mit der lange entbehrten Schokolade füttern zu lassen. In der letzten Kameraeinstellung sieht man, wie der Panzer an einer Gruppe befreiter Lagerinsassinnen vorbeifährt, in der Giosuė plötzlich seine Mutter erkennt. Mit den Worten »Mama, wir haben gewonnen« fällt er ihr um den Hals. Das ist das Ende des Films, dem nun der Abspann mit dem Titel folgt: »Das Leben ist schön.«
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Natürlich ist das Lagerleben, das der Film zeigt, alles andere als schön. Aber Giosuės Glaube, daß all das dort unbezweifelbar Erlebte nicht real ist, sondern das wirkliche Leben schön ist, sichert ihm das Überleben.
Die Annahme, daß die gegebene Wirklichkeit nicht alles ist und daß es hinter allem manifesten Unsinn einen definitiven Sinn gibt, kann lebensrettend sein.
In dem Film geht es um eine Lüge des Vaters, die seinem Sohn letztendlich die Freiheit schenkt und das Leben rettet.
Was der Sohn im KZ erlebt, ist kein Spiel. Daß am Ende der erhoffte Panzer auftaucht, ist ein glücklicher Zufall; denn er paßt haargenau in das kindliche Bild, das der Vater aufgebaut hat.
Die Lüge des Vaters ist derart wirksam, weil der Sohn sie nicht durchschaut und für wahr hält, was sein Vater ihm vorspiegelt. Kleine Kinder glauben ihren Eltern zunächst einmal alles; denn normalerweise machen sie die Erfahrung, daß ihre Eltern es immer gut mit ihnen meinen. Wie aber mag der Junge reagieren, wenn er erfährt, daß sein Vater erschossen worden ist?
Der Vater erklärt das Leben im KZ nicht für schön, sondern verheimlicht seinem Sohn, daß der eigentliche Schrecken des Lagerlebens das reale Leben ist.
Folgende Beispiele zeigen, wie unterschiedlich man das Erleben der Wirklichkeit wahrnehmen kann.
Ein Fisch im Wasser, der gefangen wurde und ohne Wasser am Angelhaken in der Luft hängt, weiß erst in diesem Augenblick das Wasser zu schätzen.
Die Eskimos haben zahlreiche Wörter für Schnee und für die Farbe Weiß; denn sie kennen keine andere Wirklichkeit.
Der Satz »Das Leben ist schön« stellt nicht den Schrecken des Lebens in Frage, sondern zeigt, daß dieser nur noch mit Witz und Galgenhumor zu ertragen ist.
Kirchplatz wird zum Open-Air-Kino
FilmSchauPlätze NRW ist mit „Wie im Himmel“ am Freitag (8. 7.) zu Gast
Publik-Forum vom 21.7.2022 hat als Thema: Segen und Fluch. Das Leben kann schön sein – und grauenvoll
Siehe auch Was ist Wahrheit?