8.5.2023

Man lebt nur einmal

Søren Kierkegaard (1813-1855)

Leben läßt sich nur rückwärts verstehen, muß aber vorwärts gelebt werden.

Was wir erlebt haben und geschehen ist, läßt sich erst im nachhinein beurteilen.

In dem Roman „Nachtzug nach Lissabon“ läßt Peter Bieri (* 1944), Pseudonym Pascal Mercier, seinen Protagonisten Raimund Gregorius auf die Frage stoßen: „Wenn es so ist, daß wir nur einen kleinen Teil von dem leben können, was in uns ist – was geschieht dann mit dem Rest?“

Wie gehen wir mit der Feststellung um, niemals mehr zu erreichen, was wir alles verwirklichen wollten?

 

Während man im mittleren Alter noch eine Zwischenbilanz ziehen kann, steht man im hohen Alter vor der Lebensbilanz. Um sich immer mehr dem Heilsein, dem Ganzsein, zu nähern, bedarf es nun auch das Fehlende und Nichterreichte zu akzeptieren und zu integrieren. Es geht um eine Versöhnung mit dem unvollkommenen Selbst. So läßt sich nach dem Motto des heiligen Martin von Tours (um 316/317-397) „Er weigerte sich nicht zu leben und fürchtete sich nicht zu sterben“ leben und auf die „Himmlische Rechenkunst“ des Dichters Werner Bergengruen (1892-1964) vertrauen.

 

Himmlische Rechenkunst

Was dem Herzen sich verwehrte
Laß es schwinden unbewegt.
Allenthalben das Entbehrte
Wird Dir mystisch zugelegt.

Liebt doch Gott die leeren Hände
Und der Mangel wird gewinnen,
Immerdar enthüllt das Ende
Sich als strahlender Beginn.