18.7.2022

Das Schweigen ist das Fundament des Redens

Alles Reden kommt aus dem Schweigen. Manche Menschen schweigen zum Beispiel auf Grund von Dummheit, Geheimhaltung, Geduld oder eines stillen Herzens.

In außerchristlichen Religionen gibt es Meditationsformen, in denen Wort und Sprache bis in die Wortlosigkeit und das totale Schweigen hinein überwunden werden. So ist es zum Beispiel im Zen-Buddhismus. „Was wird aus den Worten, wenn ich schweige? Sie wachsen an zu schönen Bildern. Kön­nen Glück und Hoffnung schildern und den Schmerz der Sehn­sucht mildern. Das wird aus den Worten, wenn ich schweige.“ (Katha­rina Gerwens * 1952)

Stille bedeutet nicht Abwesenheit von Lärm, der Leib und Seele krank machen kann, sondern eindringliche Präsenz. Das Wort und das Gebet brauchen nicht nur die Aura der Stille, sondern vor allem die des Schweigens. Wie durch Pausen in der Musik kann auch in einen Text das Schweigen eindringen. Das Gebet muß keine Aussage sein, sondern lediglich eine unartikulierte Offenheit, eine innere Grundeinstellung und ein Bewußtsein von Transzendenz, wobei das Wort „Gott“ gar nicht genannt werden muß. Vor Gott schweigt man über Gott; denn ER ist die „Stimme verschwebenden Schweigens“ (vgl. 1 Kö 19,12; Übersetzung Martin Buber [1878-1965]).

Das Wort Mystik hängt mit Mysterium zusammen und geht auf die griechische Wurzel „μύω myo – schweigen – Mund oder Augen verschließen“ zurück. Es geht nicht um Ver­schwei­gen, son­­dern darum, „das alltägliche Bewußtsein der Sinne zum Schwei­­­­­­­­gen [zu] bringen“ (Romano Guardini 1885-1968).

Man kann Menschen zum Schweigen bringen, sie jedoch niemals zum Zuhören zwingen. Gutes Zuhören ist erlernbar, indem man den inneren und äußeren Lärm dämpft und sich in Stille und Schweigen übt. „Die Sprache ist die Quelle aller Mißverständnisse.“ (Antoine de Saint-Exupéry 1900-1944) Eine weitere Ursache für Mißverständnisse beruht darin, daß wir nicht richtig zuhören.