1.5.2022

Der Brunnen im Kloster Maulbronn

Kloster Maulbronn

Brunnen im Kloster

Quelle des Fotos

 

 

Das folgende Gedicht hat Hermann Hesse (1877–1962) 1914, 22 Jahre nach seiner Flucht aus dem evangelisch-theologischen Seminar im Kloster Maulbronn, geschrieben, als er zu einem Besuch nach Maulbronn zurückgekehrt war.

Im Maulbronner Kreuzgang

Verzaubert in der Jugend grünem Tale
Steh ich am moosigen Säulenschaft gelehn
Und horche, wie in seiner grünen Schale
Der Brunnen klingend die Gewölbe dehnt.

Und alles ist so schön und still geblieben.
Nur ich ward älter, und die Leidenschaft,
Der Seele dunkler Quell in Haß und Lieben,
Strömt nicht mehr in der alten wilden Kraft.

Hier ward mein erster Jugendtraum zunichte.
An schlecht verheilter Wunde litt ich lang.
Nun liegt er fern und ward zum Traumgesichte
Und wird in guter Stunde zum Gesang.

Die Seele, die nach Ewigkeit begehrte,
Trägt nun Vergänglichkeit als liebe Last
Und ist auf der erspürten Jugendfährte
Noch einmal still und ohne Groll zu Gast.

Nun singet, Wasser, tief in eurer Schale.
Mir ward das Leben längst ein flüchtig Kleid.
Nun tummle, Jugend, dich in meinem Tale
Und labe dich am Traum der Ewigkeit!

 

Betrachten wir die Schalen des Brunnens!

Die Schönheit der Schalen liegt in ihrer Einfachheit, eine klare Gestalt der Rundung. Die Schalen sind ein Schmuckstück, aber auch mehr. Sie wohnen auf einem festen Fundament. Die unterste Schale steht auf einem sicheren Fuß und ist Stütze für weitere Schalen.

Die obere Schale erfährt in der mittleren Schale eine Erweiterung, diese wiederum bekommt Halt in der untersten Schale. Die dritte Schale wird somit zur tragenden Mitte.

Die Schalen sind offen nach oben! Unser Leben soll offen sein für Gott, für das, was er uns sagen läßt.

Nichts haben die Schalen von sich aus, ihr Inhalt kommt von außen. Die Schalen umschließen das Empfangene, nichts geht verloren.

Die Schalen schenken weiter. Würde das Wasser in der Schale bleiben, würde es abgestanden und ungenießbar.

Was wir sehen und erleben ist Auftrag, damit wir teilen, was wir haben: Lebendiges Wasser.
(Auszug aus einem dreiseitigen Artikel von Schwester MATTHÄA MASSOLLE zum „Brunnen im Kloster“)

 

Rainer Maria Rilke (1875-1926), 8.7.1906, Paris

Zwei Becken, eins das andere übersteigend
aus einem alten runden Marmorrand,
und aus dem oberen Wasser leis sich neigend
zum Wasser, welches unten wartend stand,

dem leise redenden entgegenschweigend
und heimlich, gleichsam in der hohlen Hand,
ihm Himmel hinter Grün und Dunkel zeigend
wie einen unbekannten Gegenstand;

sich selber ruhig in der schönen Schale
verbreitend ohne Heimweh, Kreis aus Kreis,
nur manchmal träumerisch und tropfenweis

sich niederlassend an den Moosbehängen
zum letzten Spiegel, der sein Becken leis
von unten lächeln macht mit Übergängen.

Bernhard von Clairvaux (um 1090-1153)

Sei wie eine Brunnenschale, die zuerst das Wasser in sich sammelt und es dann überfließend weitergibt.

* * * * *

Wir erfahren vom „Wasser des Lebens“ aus den Mythen, Sagen und Märchen bis hin zu Jesus, der am Jakobsbrunnen vom „lebendigen Wasser“ spricht (vgl. Joh 4,10). Gott ist der Quell des lebendigen Wassers.

Unvergleichlich beschreibt Antoine de Saint-Exupéry (1900–1944) in seinem Roman „Wind, Sand und Sterne“ die Bedeutung des Wassers für uns Menschen: „Wasser, ... man kann dich nicht beschreiben, ... Es ist nicht so, daß man dich zum Leben braucht: du selbst bist das Leben! Du durchdringst uns als Labsal, dessen Köstlichkeit keiner unserer Sinne auszudrücken fähig ist. Durch dich kehren uns alle Kräfte zurück, die wir schon verloren gaben, ... Du bist der köstlichste Besitz der Erde. Du bist auch der empfindsamste, der rein dem Leib der Erde entquillt.“

Schon immer standen in Vorhöfen von Tempeln und Heiligtümern Brunnen oder Wasserschalen zur Reinigung von Leib und Seele.

Wasser kann durch nichts ersetzt werden. Es ist also allergrößte Not, wenn die Brunnen leer sind und auch kein Regen fällt. Ganze Landstriche der Erde bekommen auch heute noch immer wieder diese Not zu spüren. Heute kommt aber auch noch eine andere Not dazu: Es ist zwar Wasser da, aber es ist vergiftet und tot. Früher konnte man zwar auch einzelne Brunnen vergiften; heute aber vergiften wir ganze Flüsse, ja Meere und dazu auch noch das Grundwasser. Auf welche Warnung werden wir hören? Wer rettet uns aus der selbst bereiteten Not? Vieles könnten wir selbst ändern.

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Hubertus Halbfas hat 1981 zum Thema ein Buch mit dem Titel „Der Sprung in den Brunnen - Eine Gebetsschule“ im Verlag Patmos herausgegeben.