
9.7.2021
Der eigene Schmerz
„Jeder Schmerz entläßt dich reicher, preise die geweihte Not. Und aus nie geleertem Speicher nährt dich das geheime Brot.“ (Werner Bergengruen 1892-1964)
Jeder Mensch erlebt Schmerzen anders. Während die einen schon bei einer Kleinigkeit aufschreien, sind andere anscheinend vollkommen unempfindlich. Manche Menschen greifen bei jedem Schmerz direkt zu einem Schmerzmittel. Eher wäre es angeraten, zunächst einmal zum Arzt zu gehen; denn Schmerzmittel sind nicht harmlos. Schon eine leichte Überdosierung kann im Körper bleibende Schäden hinterlassen.
Schmerzen sind auch wichtig, um den Körper vor Überlastung zu schützen. Schmerz ist der Wächter der Gesundheit, ein Alarmsignal, das uns schnell und unmißverständlich zeigt, daß etwas nicht stimmt. Problematisch wird es, wenn das Warnsignal zum Dauerzustand wird. Fachleute sprechen dann von chronischen Schmerzen. Leprakranke mußten oft unter miserablen Hygienezuständen leben, so daß ihnen im Schlaf manchmal Ratten die Gliedmaße anfraßen. Da ihre Krankheit mit einem Verlust des Schmerzempfindens verbunden ist, nahmen sie dies nicht wahr. Sie führen ein Leben ohne Schmerz, aber mit vielen Wunden.
Schmerz ist weder positiv noch negativ, er gehört zum Leben. Unsere wache Aufmerksamkeit identifiziert sich mit ihm. Subjektiv wird der Mensch sich seines Leibes vielfach nur im Schmerz bewußt. Daher rührt vermutlich die Aufforderung, einen Schmerz anzunehmen. Das Erleben des Schmerzes ohne Abwehr, vermag Verborgenes in unserem Innern zu bewegen.
Es gibt Schmerzpatienten, bei denen sich keine meßbaren Krankheiten nachweisen lassen. Sie haben ständig unerklärliche Schmerzen. Es handelt sich um ein nicht bestimmbares Außenseiterleiden ohne Kausalzusammenhang. Daher läßt sich nur die empfundene Wirklichkeit therapieren, aber nicht die Schmerzursache.