22.8.2023

Der kleine Baumwollfaden

Es war einmal ein kleiner Baumwollfaden, der Angst hatte, er reiche nicht aus, so wie er sei.
„Für ein Schiffstau bin ich viel zu schwach“, sagte er sich, „für einen Pullover zu kurz.“
„Um an andere anzuknüpfen, habe ich zu viele Hemmungen.
Für eine Stickerei eigne ich mich auch nicht. Dafür bin ich viel zu blaß und farblos.
Wenn ich aus Lurex wäre, könnte ich eine Stola verzieren.
Aber so? Es reicht nicht! Zu nichts bin ich nütze. Ein Versager bin ich! Niemand braucht mich. Niemand mag mich, und ich mich selbst am wenigsten“, so sprach der kleine Baumwollfaden zu sich, legte eine traurige Musik auf und fühlte sich sehr allein in seinem Selbstmitleid.
Da klopfte ein Klümpchen Wachs an seine Tür und sagte:
„Laß Dich doch nicht so hängen, kleiner Baumwollfaden! Ich habe eine Idee! Wir beide tun uns zusammen!
Für eine große Kerze bist Du als Docht zu kurz, und ich habe dafür auch nicht genug Wachs. Aber für ein Teelicht reicht es allemal. Wir beide zusammen werden eine kleine Kerze, die wärmt und ein bißchen heller macht.
Es ist besser auch nur ein kleines Licht anzuzünden,
als immer über die Dunkelheit zu schimpfen.“

Da war der kleine Baumwollfaden ganz glücklich und sagte sich:
„Dann bin ich also doch zu etwas nütze.“

Vielleicht gibt es auf der Welt noch mehr kurze Baumwollfäden, die sich mit Wachsklümpchen zusammentun, um in der Welt zu leuchten.

(Erzählt nach einer unbekannten Quelle)

Siehe auch Das Gewebe des Lebens.