
7.7.2022
Der Sinn des Lebens bleibt ein Rätsel
Auf die Frage: „Wozu sind wir auf Erden?“, antwortet der Katechismus: „Um Gott zu lieben, ihm zu dienen und dadurch in den Himmel zu kommen.“ Als Kind hat man uns gesagt: „Wenn Du das und das tust, dann kommst Du in den Himmel! Wenn Du böse bist, kommst Du in die Hölle!“ Auf diese Weise hat die Kirche auch viele ihrer Glieder in Schach gehalten. Diese typische Jenseits-Vertröstung macht man der Kirche zum Vorwurf. Der Kommunismus wollte den Himmel schon auf Erden haben, was aber auch nicht gelang.
Das Christentum proklamiert keine Religion der Gesetzlichkeit, sondern deren Überwindung. Der Christ ist frei.
Papst Johannes XXIII. formulierte es anders: „Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich für das Glück geschaffen bin – nicht für die andere, sondern auch für diese Welt.“
Ich meine, auf Erden gleichen wir ausgesetzten Kindern, die im Sterben heimgehen in die Ewigkeit Gottes. In der Ferne sollen wir die Heimat schätzenlernen.
Gerne vergleiche ich die „Vertreibung aus dem Paradies“ mit dem Grimmschen Märchen „Hänsel und Gretel“. Adam und Eva und Hänsel und Gretel lernten erst in der Ferne ihr eigentliches Zuhause kennen und schätzen.
Hanns Dieter Hüsch (1925-2005):
Gottes Kinder
Im übrigen meine ich,
möge uns der Herr weiterhin
zu den Brunnen des Erbarmens führen
zu den Gärten der Geduld und uns mit Großzügigkeitsgirlanden
schmücken.
Er möge uns weiterhin lehren,
das Kreuz als Krone zu tragen
und darin nicht unsicher zu werden,
soll doch seine Liebe unsere Liebe sein.
Er möge wie es auskommt in unser Herz eindringen,
um uns mit seinen Gedankengängen
zu erfrischen,
uns auf Wege zu führen,
die wir bis jetzt nicht betreten haben,
aus Angst und Unwissenheit darüber,
dass der Herr uns nämlich aufrechten Ganges
und fröhlich sehen will,
weil wir es dürfen und nicht nur dürfen, sondern auch müssen.
Wir müssen endlich damit anfangen
das Zaghafte und Unterwürfige abzuschütteln,
denn wir sind Kinder Gottes: Gottes Kinder!
Und jeder soll es sehen. Oder ganz erstaunt sein,
dass Gottes Kinder so leicht und fröhlich sein können
und sagen: Donnerwetter.
Jeder soll es sehen und jeder soll nach Hause laufen
und sagen: er habe Gottes Kinder gesehen
und die seien ungebrochen freundlich
und heiter gewesen,
weil die Zukunft Jesus heiße.
Und weil die Liebe alles überwindet
und Himmel und Erde eins wären
und Leben und Tod sich vermählen
und der Mensch ein neuer Mensch werde.
Durch Jesus Christus.