
16.1.2023
Die Auferweckung des Lazarus
Warum bringt der Evangelist Johannes die Geschichte von Lazarus (Joh 11.) so nah an die Leidensgeschichte Jesu (Joh 12.)? Jesus wandte sich an seinen Vater im Himmel und rief Lazarus aus dem Grab heraus, war ganz für diesen einen Menschen da und ihm zugewandt. Lazarus fühlte sich direkt angesprochen und stieg aus seinem steinernen Grab. Die Anwesenden nahmen staunend Anteil.
Die Geschichte von Lazarus ist eine Art vorweggenommener Deutung dessen, was sich zwischen Karfreitag und Ostermorgen ereignet: Neuschöpfung und Neugeburt.
Lazarus ist nicht irgendwer, sondern ein Mensch mit einem eigenen Gesicht. An ihm wird sichtbar, was in der Neuschöpfung des Menschen geschehen wird.
In der Auferstehung werden wir nicht irgendwelchen Idealen angeglichen, sondern als die, die wir waren, zum Leben gerufen. Wir kommen zum Leben mit allem, was aus uns geworden ist, mit unseren Fertigkeiten und auch mit den Wunden, die uns das Leben geschlagen hat, vor allem aber als schauende, wache Menschen.
Freundschaft mit den Toten
Ladislaus Boros (1927-1981):
Es gibt im menschlichen Leben eine „Freundschaft mit den Toten“, mit Menschen, die von uns gegangen sind. Ein tiefer, stumm erstarrender Schmerz ist sie. Christus hat sie beim Tode seines Freundes Lazarus erlebt. Rätselvoll tief wirkte dieses Sterben in das Leben Christi hinein. Eine ganz neue, von ungeahnter Hoffnung erfüllte Dimension des Sterbens tat sich da auf: Tod als „Verherrlichung des Gottessohnes“ (Joh 11,4). Der Tod eines geliebten Menschen kann, über das vordergründige Leid hinaus, ein Geschenk und eine Gnade für uns werden. Er selber ist ja bereits geborgen in Gottes Barmherzigkeit. Aber wir, die wir die Erinnerung an ihn in unser Leben „hineinvergraben“ (Rilke sagt: „Was mich angeht, so starb mir, was mir starb, in mein eigenes Herz hinein“), das heißt an das Gute und Schöne, das er in seinem Leben getan, und an die Möglichkeiten, die noch vor ihm standen, denken, sein Dasein in unserem Leben „vergegenwärtigen“, immer wieder und immer neu - wir sammeln das Schöne eines Daseins, das schon mit Gott vereinigt ist; wir vollenden sein irdisches Leben für ihn und begehen eine „Kommunion“ mit einem Gott vereinten Schicksal. Vielleicht werden Menschen einmal so an uns denken!
Siehe auch In Abrahams Schoß.