5.6.2022

Die Ausbildung zum Soldaten ist auch eine Ausbildung zum Töten

Als Jahrgang 1936 war ich zu jung, um im Zweiten Weltkrieg Soldat werden zu müssen wie mein Vater. Als am 21. Juli 1956 das Wehrpflichtgesetz für alle Männer zwischen 18 und 45 Jahren in Kraft trat, besuchte ich noch das Gymnasium in Limburg, und nach dem Abitur war ich als Theologiestudent von der Wehrpflicht befreit. Nach über 70 Jahren Frieden herrscht nun wieder Krieg in Europa, und die Ausbildung zum Soldaten verpflichtet im Ernstfall zum Töten.

Wie würde ich mich verhalten, wenn ich heute als junger Mann in der Ukraine lebte?

Vielleicht würde ich wie Franz Jägerstetter aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern und schließlich zum Tode verurteilt.

Unter der Überschrift „Das Tabu“ und den einleitenden Zeilen „Die ‚Ausbildung an der Waffe’ greift gefährlich tief in die Psyche der jungen Wehrpflichtigen ein“ schilderte Hanne-Margret Bickenbach in der ZEIT vom 17. November 1989 den psychologischen Einfluß des Umgangs mit der Waffe auf die Soldaten.

 

Ich bin erzogen worden, meine Aggressionen unter Kontrolle zu halten. Im Krieg müßte ich das Gewaltverbot unter bestimmten Bedingungen überwinden. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dazu fähig wäre. Die Angst, selbst getötet zu werden, wäre allerdings groß. Aber größer wäre die Unfähigkeit, andere zu töten und dadurch schuldig zu werden.

 

Kain und Abel haben sich schon am Anfang der Menschheit bekämpft und getötet. Nur heute haben wir andere Waffen als lediglich eine Keule. Ist es da verwunderlich, daß sich die Menschen nach einer neuen Erde sehnen? Aber wir sind dabei, sie unbewohnbar zu machen.

Siehe auch „Wie umgehen mit der Angst vor dem Krieg?