3.11.2021

 

 

 

Die Gans in der Flasche

Eine Anregung für den Totenmonat November

Der Arzt Lu Dan kam einmal zum Südquell-Meister Nan Quan zu Besuch und erzählte dabei die folgende Begebenheit:
„Kürzlich hörte ich die Geschichte von einem Mann, der ein Gänseküken in einer großen, bauchigen Flasche aufzog. Innerhalb weniger Monate war aus dem kleinen Küken eine stattliche Gans geworden. Während ihr Hals aus der Flasche ragte, wurde ihr Rumpf vom Glaskörper umschlossen und gefangen gehalten. Die Gans war nämlich zu groß und zu dick geworden, um sich durch die Flaschenöffnung ins Freie zu ziehen.“

Daraus ergibt sich die Frage: „Wie bekommen wir die Gans heraus, ohne daß die Flasche zerstört und die Gans verletzt wird?“

Wir alle sind eingeschlossen in die Begrenzungen des Mensch-Seins. Wir haben uns damit arrangiert, daß es Freiheit immer nur relativ gibt, und für den Alltag reicht das offensichtlich auch aus. „Über den Wolken muß die Freiheit wohl grenzenlos sein ...“, singt Reinhard Mey (* 1942). Das klingt nach anderswo. Ist Freiheit nur eine Illusion? Meines Erachtens ist sie ein Anspruch, dem jeder Mensch sich stellen sollte. Wenn wir nicht unterwegs sind, um Freiheit zu erfahren, wozu sind wir dann auf Erden?

Im Psalm beten wir: „Du führst mich hinaus ins Weite... (Ps 18.20) und „Mit Dir überspring ich Mauern.“ (Ps 18,29f) Erst der Tod als Verwandler bringt uns die volle Freiheit, nach der wir uns auf dieser Erde sehnen.

Siehe auch Martin und das liebe Federvieh.