23.10.2021

„Liebe geht durch den Magen“

Eine offensichtliche Querverbindung zwischen Essen und Liebe ist der Kuß. Als Säuglinge haben wir es an der Mutterbrust erfahren. Für ein Baby, das sich an die weichen Brüste der Mutter kuschelt und dessen schmatzenden, saugenden Lippen Milch und Wärme aufnehmen, sind Essen und Liebe noch identisch. Ganz direkt erlebt ein Säugling Befriedigung dort, wo der Kontakt am stärksten ist, nämlich an Lippen und Gaumen. Die erste lustvoll besetzte Zone unseres Körpers ist also der Mund.

Zahlreich sind die lustvollen Redewendungen bezüglich des Essens und der Liebe, so heißt es unter anderen: „Ich habe dich zum Fressen gern“, oder „Du bist zum Anbeißen süß“. Nicht selten gehen Frauen mit einem Mann erst einmal essen, bevor sie eine nähere Beziehung in Erwägung ziehen. Sie begutachten zum Beispiel die Atmosphäre des Lokals, in das er sie führt, und seine Art zu essen. Stochert er lustlos im Essen herum, oder schlingt er seine Mahlzeit gierig in sich hinein?

Alles, was Lippen, Zunge und Gaumen weich und mild berührt, weckt unbewußte Erinnerung an den Anfang unseres Lebens. Weiche Nahrung löst oft ein Leben lang ein Gefühl der Geborgenheit aus.

Der französische Schriftsteller Marcel Proust (1871-1922) schildert in seinem Romanzyklus „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, wie ihm beim Eintauchen eines Plätzchens in seinen Tee durch den davon ausströmenden Duft und das anschließende Verkosten seine gesamte Kindheit wieder in Erinnerung kommt.

So schließt sich der Kreis, in dem Nahrungs- und Liebesbedürfnis ineinandergreifen.