
2.10.2021
Die Macht des Zufalls
Es kann im Leben so oder so ausgehen. Wahrscheinlich ist, daß das Unwahrscheinliche geschieht. Aber oft fällt es uns schwer zuzugeben, daß gewisse Dinge nicht durchschaubar sind.
Manche Menschen nehmen an, alles sei Zufall und wir hätten wenig Einfluß auf unser Schicksal. Das Schicksal zu akzeptieren, bedeutet Freiheit. Eine übergeordnete Instanz, die ich als Christ Gott nenne, beschert mir mein Schicksal.
Ich habe Unwahrscheinliches erlebt, was mich angeregt hat, über den Zufall und seine Variationen zu schreiben.
Der Küster wollte mir helfen, mein Meßgewand anzuziehen, was ich aber wegen des besonderen Schnittes meines Gewandes, einer Paenula, am liebsten alleine mache. So geschah es, daß das Gewand schief saß. Ich sagte dem Küster, ich sei doch kein Narr, bei dem die Kleidung und deren Farben schräg angelegt seien, während bei dessen „Chef“, sei es König oder Papst, alles ordentlich gerade sitze.
Am selben Tag kam ich mit einer Teilnehmerin meiner Kurse darauf zu sprechen. Sie erinnerte sich direkt, ich hätte zu dem Thema doch die „Geschichte vom größten Narren“ erzählt, und fragte, ob sie sie bekommen könne. Daraufhin suchte ich in meinem Computer und in meinen Unterlagen nach der Geschichte, fand sie aber nicht.
Als ich am folgenden Tag auf sogenanntem „Schmierpapier“ meinen Dienstplan ausgedruckt hatte, entdeckte ich auf der Rückseite die „Geschichte vom größten Narren“. Ich war zu Tränen gerührt. Eine Nadel im Heuhaufen zu finden, muß eine Kleinigkeit sein gegenüber diesem Fund im geordneten Chaos meines Arbeitszimmers.
Siehe Der Herrscher und der Narr ergänzen sich.
Dieses Erlebnis hat meinen Glauben an eine Transzendenz sehr gestärkt. Wer einen starken Glauben hat, braucht keine Beweise mehr. Ich habe im Alter aufgehört, ein Macher zu sein, und halte statt dessen meine Hände als Schale hin. Es fällt mir zu, was gerade notwendig ist, sei es ein Einfall in einem Beratungsgespräch, sei es eine Ahnung, was gleich geschehen wird oder Ähnliches. So werde ich immer wieder neu beschenkt.
Ich habe immer gedacht, ich müsse ein äußeres Ziel in meinem Leben erreichen. Jetzt begreife ich, daß das Angestrebte und Gesuchte in mir selbst liegt und niemals gegen mich sein kann.
Welche Rolle spielen Zufälle in dieser Welt? Jeder, der Phasen der Zufallshäufung erlebt, fühlt sich leicht als Mitarbeiter des Zufalls, der ihm besonders gewogen ist. Die Häufigkeit von Zufällen scheint mit gesteigerter Aufmerksamkeit einen Einfluß der Wahrnehmung auf die Wirklichkeit zu beweisen. Die Welt des Zufalls ist die eigentliche Welt. Man muß nur einen Sensus dafür entwickeln. Die Kausalität weicht davon ab.
Wenn sich sogar die komplexeste Struktur des Universums dem Zufall ergibt, kann es dann nicht sein, daß wir Menschen viel stärker von Zufällen gelenkt werden, als wir es uns klarmachen? Den Zufall muß man immer mit einkalkulieren. Es ist etwas Segensreiches, die Rolle des Zufalls so zu erleben.