Die Schmerzen der anderen
Mitgefühl ist etwas anderes als Mitleid. Es wird dann real, wenn wir uns unseres gemeinsamen Menschseins bewußt werden. Es bedeutet, das Leid der anderen wahrzunehmen, ohne vor Mitleid zu vergehen. Mitfühlen aber nicht mitleiden. Mitgefühl gehört zu den Grundempfindungen des Menschen. Außerdem erfordert es eine nicht wertende Haltung und eine Begegnung auf Augenhöhe.
Empathie ist etwas anderes als Mitgefühl. Man verbindet sich mit der Situation und den Gefühlen eines anderen und spürt, was er empfindet. Zuviel Empathie ruft nicht selten eigene Traurigkeit hervor. Mitgefühl hingegen bedeutet teilnehmende und hilfreiche Sorge, das Leiden des anderen zu lindern.
Spiegelneuronen sind ein Aspekt der Empathie. Menschen reflektieren die Handlungen ihres Gegenübers. Bestimmte Bereiche im Gehirn sind nicht nur aktiv, wenn der Mensch Handlungen selbst ausführt oder beobachtet, sondern auch schon, wenn er sie sich nur vorstellt.
Sehen wir, daß jemandem Schmerz zugefügt wird, werden in unserem Gehirn zwei Regionen aktiviert, die auch am eigenen Schmerzempfinden beteiligt sind. Beim Mitfühlen scheint unser Gehirn also die Emotionen der anderen zu simulieren, als seien es die eigenen.
Nur ganz selten bemerken wir, daß wir jemanden imitieren, wenn wir etwa unwillkürlich mit dem Kopf nicken, weil unser Gesprächspartner es auch gerade tut, oder nur wenige Sekunden, nachdem unser Gegenüber die Arme verschränkt hat, es ebenso machen.
All diese Beobachtungen weisen darauf hin, daß auch unsere Empathie für Schmerzen auf unserem eigenen Körperempfinden beruht. Wir fühlen die Schmerzen mit, die wir zu sehen meinen, erkennen aber nicht, was unser Gegenüber wirklich empfindet. Ein Kind, das mit seinem Fahrrad fällt und gleich wieder weiterfährt, empfindet wahrscheinlich weniger Schmerzen als seine entsetzten Eltern, die den Sturz beobachtet haben.
Siehe auch den Bericht „Empathie – Keine Grenze zwischen Ich und Du“ von Wibke Bergemann vom 1. November 2020 im Deutschlandfunk.