Die Schnecke - der göttliche Gegenentwurf zur Eile unserer Zeit
Langsam - Leben - Lernen
Zur Besinnung in der Fastenzeit
Herr, laß mich ankommen!
Mahnung zur Ausdauer: Jak 5, 7-11
7 Darum, Brüder, haltet geduldig aus bis zur Ankunft des Herrn! Auch der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde, er wartet geduldig, bis im Herbst und im Frühjahr der Regen fällt. 8 Ebenso geduldig sollt auch ihr sein. Macht euer Herz stark, denn die Ankunft des Herrn steht nahe bevor. 9 Klagt nicht übereinander, Brüder, damit ihr nicht; gerichtet werdet. Seht, der Richter steht schon vor der Tür. 10 Brüder, im Leiden und in der Geduld nehmt euch die Propheten zum Vorbild, die im Namen des Herrn gesprochen haben. 11 Wer geduldig alles ertragen hat, den preisen wir glücklich. Ihr habt von der Ausdauer des Ijob gehört 17 und das Ende gesehen, das der Herr herbeigeführt hat. Denn der Herr ist voll Erbarmen und Mitleid.
Wir alle haben schon Schnecken gesehen, vielleicht sogar gegessen. Das Leben einer Schnecke kann als Spiegel für unser eigenes Lebens dienen. Dazu betrachten wir das Dasein der Schnecke einmal genauer.
Gebet:
Herr, unser Gott, wir rufen dich an!
Oft kriechen wir so mühselig wie eine Schnecke von Aufgabe zu Aufgabe, und unsere Augen sehen nur bis zum nächsten Grashalm. Nimm uns die Angst, zu kurz oder zu spät zu kommen, wenn wir das Tempo dieser Zeit nicht immer mitgehen. Laß uns nicht zwei Schritte auf einmal tun wollen; denn dann kann unsere Seele nicht nachkommen. Herr, begleite uns auf unserem Weg, Schritt für Schritt, und laß uns, auch wenn wir nur langsam vorankommen, einmal ankommen bei dir. Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.
Gott und die Natur haben Lebewesen erschaffen, die ständig ihr Haus mit sich tragen. Viele Schnecken führen uns das lebendig vor Augen. Dies kann uns nicht nur als Bild dienen, keine bleibende Stätte zu haben, sondern läßt uns auch über unser Verhalten nachdenken.
Das Sich-zurück-ziehen in sein Schneckenhaus bedeutet mehr, als nur in sein Haus zu gehen, um sich auszuruhen oder zu schlafen. Es gibt in unserem Leben die Spannung zwischen Marktplatz und Zelle. Ziehe ich mich zurück, um Ruhe zu haben und mich zu sammeln, oder aus Angst vor der Welt?
Wie leicht folge ich der Aufforderung: „Geh' fort! Brich deine Zelte ab!“? Wie vorsichtig strecke ich meine Fühler aus, und wie empfindlich bin ich auf Reize von außen? Diese und ähnliche Fragen leiten an zur Gewissenserforschung.
1. Staunen können
Stellen wir uns ein Schneckenhaus vor und sehen es uns von allen Seiten genau an. Es ist ein Kunstwerk der Natur. Es entsteht millionenfach, und doch gleicht keines dem anderen. Nehme ich noch solche Herrlichkeiten am Wege wahr?
Kann ich noch staunen über die grenzenlose Phantasie Gottes?
Was von all dem, was mir weiterhelfen könnte, bemerke ich gar nicht? Bin ich manchmal unzufrieden, weil ich die kleinen Wunder am Weg nicht mehr entdecke, geschweige denn dafür danke?
Zertrete ich manchmal das kleine Glück wie ein Schneckenhaus und bin deshalb unfähig für das große Glück?
2. Alternativ leben
Wie einfach und anspruchslos lebt die Schnecke! Was sie zum Leben nötig hat, trägt sie bei sich. Mit wie wenig kommt sie aus!
Wir haben tausend Dinge, aber sind wir deshalb zufriedener? Ist wirklich alles notwendig, was ich mir anschaffe?
Ersetze ich so vielleicht persönliche Beziehungen durch unpersönliche und tote Objekte?
3. Sich Zeit lassen
Wieviel Zeit läßt sich die Schnecke auf ihrem Weg!
Verpassen wir nicht sehr oft vor lauter Hetze das Entscheidende? Wofür habe ich Zeit?
Nehme ich mir Zeit für mich selbst? Oder sogar zuviel? Nehme ich mir ausreichend Zeit für meine Mitmenschen? Habe ich genügend Zeit für Gott?
4. Gefühle zeigen
Eine Schnecke verbindet mit den Fühlern drei Sinne: Sehen, Tasten und Riechen. Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) formuliert: „Siehst du die Schnecke da? Sie kommt herangekrochen, mit ihrem tastenden Gesicht hat sie mir schon was abgerochen.“
Wenn man die Fühler der Schnecke berührt, zieht sie sie ein. Manchmal zieht sie sich sogar ganz zurück.
Wie reagiere ich?
Bin ich sehr empfindlich und schnell beleidigt?
Versuche ich, Probleme zu lösen, indem ich mich sehr schnell in mein Schneckenhaus flüchte?
Bin ich sehr nachtragend?
Habe ich den Mut, Gefühle zu zeigen?
Habe ich andere „zur Schnecke gemacht“?
5. Zur Mitte finden
Wir betrachten das Schneckenhaus und sehen die wundervolle Spirale, sie führt zur Mitte. Wo ist meine Mitte? Was ist meine Mitte? Wer ist meine Mitte? Ist Gott meine Mitte?
6. Eine Spur hinterlassen
Jede Schnecke hinterläßt eine Spur. Auch wir Menschen hinterlassen Spuren. Jeder gute Gedanke, jedes gute Wort und jede gute Tat lösen einen Kreislauf des Guten aus. Umgekehrt erzeugt alles Böse einen Teufelskreis.
Welche Spur hinterlasse ich? Eine schleimige?
Habe ich geschmiert, um Erfolg und Ansehen zu erreichen? Welche Spuren von mir bleiben, wenn ich gestorben bin?
7. Geduld haben
Eine Schnecke könnte sagen: „Geduld, ich komme ja schon!“ Habe ich Geduld mit mir?
Habe ich Geduld mit anderen, die nicht so schnell sind wie ich? Nehme ich die Fügungen Gottes gelassen an?
Gebet:
Heiliger Gott, wir treten mit Vertrauen auf dein Erbarmen vor dich hin. Wir wissen, daß unsere Heimat im Himmel ist und wir auf Erden keine bleibende Stätte haben; und doch richten wir uns häuslich ein und vergessen zu leicht, daß wir Pilger sind, wanderndes Volk Gottes auf Erden. Verwandle uns durch deine Gnade und laß uns neu werden in deiner Liebe.
Vergebungsbitte:
Da Gottes Liebe keine Grenzen kennt und er unseren Willen zur Umkehr sieht, erbarme er sich unser. Der allmächtige und barmherzige Gott lasse uns die Sünde nach und führe uns ins ewige Leben. Amen.
Lernen von einer Schnecke
Beharrlich und stetig den eigenen Weg gehen;
Halt finden, wo eigentlich gar keiner ist;
ein Gespür dafür bekommen,
wann es weitergehen soll
und wann die Ruhe
im schützenden Haus
wichtig ist,
um wieder Kräfte zu sammeln;
von Gottes Weisheit lernen,
die auch an seinen stummen Geschöpfen
ablesbar ist …
© Dieter Steves