
31.12.2021
1.1.2022
Die Unerträglichkeit der vorübereilenden Zeit!
Die Jüngeren mögen den Jahreswechsel begrüßt haben, weil ein gestecktes Ziel näherrückt; die Älteren haben vermutlich gedacht: „Es geht immer schneller!“ Das ist natürlich ein subjektives Gefühl; denn objektiv bleiben, abgesehen vom Schaltjahr, die Abstände zwischen den Jahreswechseln gleich. Aber alten Menschen erscheinen sie kürzer, und für sie kommt der Wechsel schneller; jungen Menschen oder Kindern hingegen kann dasselbe wie eine Ewigkeit vorkommen.
Kein Mensch kann übersehen, daß die Zeit vorübereilt und kein Augenblick bleibt, weder ein schöner noch ein schrecklicher, wenn wir auch den einen festhalten wollen und den anderen zu meiden versuchen, vorüber gehen beide. Ich tröste mich damit, daß die Zeit nur eine „Pause von der Ewigkeit“ ist.
An Silvester fassen wir nicht nur Vorsätze für das neue Jahr, sondern schauen auch zurück. Was geschehen ist, ist geschehen und läßt sich nicht mehr rückgängig machen, für viele Menschen ein schrecklicher Gedanke. Bei den Engeln ist das anders, sie sind einfach ewig, da gibt es weder vorher noch nachher. Ist es da nicht eine Gnade, immer wieder neu anfangen zu können?
Mit Neujahr beginnt etwas Neues. Die Jugendbewegung, deren Ausklang ich noch miterlebt habe, sang: „Wann wir schreiten Seit' an Seit' und die alten Lieder singen, und die Wälder widerklingen, fühlen wir, es muß gelingen: Mit uns zieht die neue Zeit.“
Aber wie sieht die neue Zeit heute aus?
Der Neujahrstag macht uns wie kaum etwas anderes im Jahresverlauf aufmerksam, daß wir in der Zeit leben, die aber von der Ewigkeit umfangen ist.
„Allem Anfang wohnt ein Zauber inne!“ Ob der Dichter Hermann Hesse (1877–1962) damit gemeint hat, daß der Anfang noch den Aspekt der Ewigkeit in sich trägt? Ein gerade geborenes Kind hat noch etwas von diesem Ewigen-Jenseitigen in sich. Ein Pfarrer formulierte einmal: „Alles Erste ist ewig!“
Nur ein kindlicher Geist, den sich manche Erwachsenen bewahren, ist begierig auf das Neue, dieses aber ruht auf den Schultern der Vorfahren.