21.7.2021

Die verschiedenen Bäume

 

Im Laufe der Menschheitsgeschichte haben viele Menschen die Bäume verehrt. Bei den Kelten bewohnten Gottheiten die Bäume. Wir freuen uns heute über die Baumvielfalt und ziehen einen Mischwald einer Baumkultur vor.

Die Eiche war und ist immer und überall ein Symbol für Kraft, Macht und Stärke. In zahlreichen Kulturen ist sie der Baum der Bäume und somit der obersten Gottheit geweiht. Für viele Germanen war es unfaßbar, daß die Götter Bonifatius nicht bestraften, als er die Donareiche fällte. Eichenholz ist so fest und hart, daß es sich hervorragend im Hausbau bewährt hat und Generationen überdauert.

Die Buche ist ein in ganz Mitteleuropa verbreiteter Laubbaum. Hochwüchsig und ausladend, licht- und doch schattenspendend vertritt sie das mütterliche Element. Man nennt sie auch „Königin des Waldes“. Ihr „Nachwuchs“ benötigt nur wenig Licht und gedeiht daher problemlos unter ihrem dichten Blätterdach. Obwohl sie ihrem „königlichen Stand“ entsprechend sehr beherrschend ist und andere Bäume in einem reinen Buchenwald kaum einen Lebensraum finden, gedeihen dennoch zahlreiche Tier- und Pflanzenarten unter ihrem Dach. Ihr Holz eignet sich wegen der geringen Feuchteresistenz nur bedingt zum Hausbau, aber hervorragend zur Möbelherstellung. Auch als Brennholz ist es sehr gefragt. In Kohlenmeilern verwandelt es sich zu Holzkohle, und die Asche dient als Waschlauge und zur Felddüngung. Der Buchstabe war ursprünglich ein Buchenstab mit einer eingeritzten Rune.

Die Linde war als germanischer Friedensbaum der Göttin Freya geweiht, der mütterlichen Beschützerin des Lebens und der Liebe. Als Thingbaum schützte sie vor Unrecht und diente bis weit in die Neuzeit hinein als Gerichts- und Richtbaum; dort wurde durch Schiedsspruch der Streit zum Frieden ge-lind-ert. Als Beschützerin der jungen Liebe trägt sie oft ein von einem Liebespaar eingeschnittenes Herz in ihrer Rinde. Als Dorflinde fördert sie das Zusammenleben der Menschen.

Die Birke, schlank und biegsam, ist anpassungsfähig und lebenstüchtig. Als Maibaum gehört sie zum Frühling und Vorsommer. Sie ist der Baum des Aufbruchs, alles an ihr ist lebhaft. Zugunsten ihrer Beweglichkeit verzichtet sie auf starke Äste und setzt ihre Zweige direkt am Stamm an. Da die Birkenrinde fast unverweslich ist, verarbeitete man sie zu Gefäßen, Kleidung und Schuhen; in Hungerszeiten wurde die gemahlene Rinde mit Mehl vermischt und zu Brot verbacken. Manche Gräber, vor allem Soldatengräber, schmückt ein schlichtes Kreuz aus Birkenholz.

Tannen, Fichten und Kiefern geben gutes Holz für Resonanzböden von Saiteninstrumenten sowie von Flügeln und Klavieren. Wegen ihrer immergrünen Nadeln sind diese Gehölze ein Symbol für ewiges Leben. Zum beliebten Weihnachtsbaum mit Kerzen als Symbol für die Sonnenwendlichter, Äpfeln und Kugeln als Symbol für Fruchtbarkeit und Nüssen als Symbol für Langlebigkeit wurde der Tannenbaum erst im 19. Jahrhundert.

 

 

 

Dionysos, der Gott des Weines, war auch der Schöpfer des Apfelbaumes. Er schenkte ihn Aphrodite und der Apfel wurde dadurch zum erotischen Symbol. Auch die von Eva gepflückte Frucht, die verbotene Frucht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, war ein Apfel, er schenkte Wissen. Zum Zankapfel wurde er als goldener Apfel, der der Schönsten gehören sollte. Als runde Sache, so wie man sich das Weltall vorstellte, wird der Apfel zum Reichsapfel als Zeichen der Macht.

 

Bereits die antiken Völker verehrten den Ölbaum, und seine knorrige Gestalt, seine schmalen silberfarbenen Blätter und seine köstliche Frucht werden oft besungen. Die Taube, die Noach verkündete, daß die Erde wieder bewohnbar sei, trug als Zeichen ein frisches Ölbaumblatt im Schnabel. Der Ölbaum ist Symbol für den Frieden. Im Mittelmeergebiet tragen die Menschen bei der Palmprozession oft auch Olivenzweige. „Der Ölbaum ist der Baum der Bäume“ heißt es im 1. Jahrhundert, und das mit Recht; denn er ist der unerschöpfliche Fruchtbaum, der dem Menschen Nahrung gibt und dessen Lebenskraft steigert. Er ist der unauswechselbare Charakterbaum, der in den immergrünen Regionen die früh verlorenen Wälder ersetzt hat. Der Olivenbaum liebt vor allem den Hauch des Mittelmeeres mit seinen besonderen klimatischen Bedingungen. Der Same des Olivenbaumes kam mit den Vögeln zu den Küsten des Mittelmeeres, wovon dort gefundene Fossile und Pfahlbauten Zeugnis geben. Der edle Baum ist durch vieltausendjährige Züchtung mittels Auspflanzung und Pfropfen aus der Wildform entwickelt worden. Er kann daher auch in die Wildform zurückschlagen.

Im Ölbaum verbinden sich Orient und Okzident. Er bildet eine Brücke. Seine Geschichte reißt große Zeiträume auf. Sein Stamm und seine Früchte sind wie ein Buch über mediterran-abendländische Kulturen. Wir Nordländer schenken dem grauen, gewundenen Baum nicht auf den ersten Blick unsere Sympathie. Dieser Baum trägt nicht unser Grün; es ist eher grau als blaßgrün. Der Ölbaum gedeiht nicht auf feuchten fetten Böden, sondern bevorzugt magere trockene, am liebsten steinige Erde mit Kalkgehalt. Aus unfruchtbarem Boden also erzeugt er seine edle Frucht.

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Wolf-Dieter Storl schreibt von fünf heiligen Bäumen: Birke, Buche, Eiche, Linde und Eibe.

 

 

 

Wolf-Dieter Storl
Unsere fünf heiligen Bäume
Meditieren und heil werden in der Natur
Wegweiser zum eigenen Selbst
Verlag Knaur 2020

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