26.1.2019

Das Penrose-Dreieck erweckt den Anschein, es handele sich um eine geschlossene dreidimensionale Struktur aus drei rechten Winkeln, was in der euklidischen Geometrie jedoch unmöglich ist.

Die Wahrheit ist paradox (3)

Die Leistung des Paradox besteht darin, daß es das Den­ken ins Wanken bringt. Unsere scheinbar klaren und festge­fügten Begriffe erweisen sich auf einmal als löchrig. Etwas, von dem wir glaubten, wir wüßten es und hätten es verstanden, wird in die Uneindeutigkeit überführt. Damit wird der Wissen­de genötigt, wieder den Status des Lernenden einzunehmen. Er muß die Sicherheit seines Wahrnehmens und Erkennens ver­lassen und noch einmal von vorn anfangen.

„Der Tod dauert das ganze Leben; aller Voraus­sicht nach hört er auf, sobald er eintritt.“ (Paul Valéry 1871-1945)

„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“ (Dietrich Bonhoeffer 1906-1945)

„Sprich mir schweigend von Gott!“ (Simone Weil 1909-1943)

„Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ (Dschalal ad-Din Muhammad Rumi 1207-1273)

„Das Gegenteil einer richtigen Aussage ist eine falsche Aus­sage, aber das Gegenteil einer tiefen Wahrheit ist eine andere tiefe Wahrheit.“ (Niels Bohr 1885-1962)

Wir sehen das Licht einmal als Welle und dann auch als Teilchen. Was ist es denn?

Die moderne Mystikerin Simone Weil (1909-1943) markiert den Punkt, an dem Menschenweisheit endet und das Mysterium beginnt: „Wenn man einen Gedanken gefaßt hat, solle man nach­for­schen, in welcher Hinsicht das Gegenteil wahr ist. Der Wider­spruch ist der Hebel zur Transzendenz. Erst in den Sack­gas­sen des Verstandes ereignet sich das Wunderbare. Denn der Mensch kann nicht durch eigene Bemühungen die Immanenz überschreiten.“ Diese Wahrheit, die in der geisti­gen Welt gilt, hat offensichtlich auch in der physischen ihren Stellenwert. Wenn wir am Ende sind, stehen wir am Anfang.

Wenn im Märchen „Der Froschkönig oder der eiserne Hein­rich“ die Prinzessin ihre goldene Kugel verliert, dann bringt das letzt­lich die Erlösung, die Hochzeit.

Der Buddhismus kennt Rätselworte (Koan), die logisch nicht zu lösen sind, und doch muß sich der Mönch darauf einlassen, zum Beispiel auf die Frage: „Was ist der Ton der einen Hand?“

Die Logik kann ihre Grenzen mit Genauigkeit angeben. Wenn es aber um die existenzerhellenden Fragen geht, wird es im­mer paradoxer und damit für die Logik ungreifbar. Solange das Den­ken nicht vor die Paradoxie des Wirklichen geraten ist, steht es gar nicht vor den tatsächlich bewegenden Fragen. In der Liebe zum Beispiel wählt jemand in Freiheit unter Tau­sen­den gerade den Menschen aus, auf den es ankommt. Das Ge­­fühl aber wird sagen: „Ich mußte ihn nehmen, ihn und keinen anderen.“ Freiheit und Notwendigkeit der Liebe; ein und die­selbe Wirk­lichkeit, in der sich Denken und Gefühl von zwei ent­­gegenge­setzten Enden her treffen. Sie schließen sich lo­gisch aus, real aber bestehen sie nur miteinander.

Es geht um das Wissen, daß wir vor Gott allezeit Unrecht haben; oder anders gewendet: „Hermeneutik bedeutet einzuse­hen, daß auch der andere Recht haben könnte.“ (Søren Kierke­gaard 1813-1855)

Philipp Neri (1515-1595) hat bei ein und derselben Sache anders gehandelt als es Ignatius von Loyola (1491-1556) getan hätte.

Es hat wohl noch nie zwei Menschen gegeben, die zum Bei­spiel eine Rose angeschaut und dasselbe gesehen haben.

Zwei Menschen telefonierten miteinander. Der eine sagte: „Es ist ein schöner Tag.“ Der andere entgeg­nete: „Wieso, es ist doch Nacht.“ Ein Dritter hörte den bei­den zu und überleg­te, wer denn nun recht habe: Beide; denn sie telefonierten jeweils vom anderen Ende der Welt.

„Es ist ganz einerlei, ob man das Wahre oder das Falsche sagt, beidem wird widersprochen.“ (Johann Wolfgang von Goethe 1749-1832)

Die Wüste zum Beispiel war für die Wüstenväter ein öder, trostloser Ort der Gottesferne, der Dämonen und des Todes. Jesus wird in der Wüste vom Satan versucht. Für die christlichen Wüstenväter und Eremiten war es ein und dasselbe, wenn sie Gott in der Einsamkeit suchten. In der Wildnis sind üppiges Leben und plötzlicher Tod gleichermaßen sichtbar. In der deut­­­­­schen Mystik wird die Wüste zum Bild des reinen gött­lichen Urgrundes.

Wie gehen wir mit dem angesprochenen Thema um?