
22.1.2023
Eifersucht
Laut Prof. Dr. Günter Ammon (1918-1995) gehört Eifersucht zu den Grundzügen menschlichen Daseins. Sie hilft, den anderen in der Beziehung zu spüren. Der amerikanische Anthropologe Lionel Tiger (* 1937) sieht in der Eifersucht eine Naturkraft. Für Sigmund Freud (1856-1939) ist die Urform der Eifersucht die des Kindes auf seine Eltern, insbesondere die des Sohnes auf den in dessen Augen von der Mutter bevorzugten Vater; bei der Tochter verhält es sich umgekehrt. Weiterhin zählt er Eifersucht zu einem der Trauer vergleichbaren als normal zu bezeichnenden Affektzustand. Außerdem spricht er von einer „projizierten Eifersucht“, die sich auch als teuflisch ansehen läßt; denn sie beruht auf dem inneren Wunsch nach eigener Untreue. Seine Schülerin Melanie Klein (1882-1960) hält Eifersucht für einen im Menschen grundsätzlich angelegten und bereits im Säuglingsalter ständig wachsenden Keim.
Wer eifersüchtig ist, muß erkennen, wo seine Toleranzgrenze liegt. Eifersucht zeugt oft von mangelndem Selbstwertgefühl. Die Eheberaterin und Psychoanalytikerin Hildegard Baumgart formuliert: „Eifersüchtige, die ihren Partner […] umbringen wollen oder ihn auf andere Weise zerstören wollen […] bringen auch sich selbst um. Sie empfinden sich unbewußt als mit dem Partner verschmolzen. […] Man kann lernen, mit Eifersucht besser umzugehen, aber abschaffen kann man sie nicht.“
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Predigt in Billerbeck am 22.1.2023
Sonntag im Jahreskreis A
Erste Lesung: Jes 8,23b-9,3
Zweite Lesung: 1 Kor 1,10-13.17
Evangelium: Mt 4,12-23
Wir haben gerade gehört, wie der Apostel Paulus die Korinther ermahnt: „Seid alle einmütig, und duldet keine Spaltungen unter euch.“ (1 Kor 1, 10) Könnte er dasselbe heute nicht auch zu uns sagen? Ich denke zum Beispiel an Rom, wo die deutschen Bischöfe sich wie alle fünf Jahre wieder melden mußten und ihr Anliegen zum Synodalen Weg vorstellten. Die Kurienkardinäle Luis Ladaria und Marc Ouellet machten den deutschen Bischöfen klar, was von den Plänen des Synodalen Weges alles nicht zu realisieren sei.
Auch Paulus mußte erkennen, daß nicht alles seinen Vorstellungen entsprach; denn es gab „Zank und Streit“ in den Gemeinden (vgl. 1 Kor 1,11 ).
Ein Grundübel für den Unfrieden unter den Menschen sind ihr Streben nach Macht und der gegenseitige Neid. Das beginnt schon bei den Kindern, wenn sie behaupten: „Meine Mutter ist besser als deine, mein Vater verdient mehr als deiner, mein Bruder ist größer als deiner.“ Bei den Älteren erstreckt sich dieses Denken sogar bis in die gesundheitlichen Probleme, wenn sie zum Beispiel erklären: „Meine Krankheit ist noch schlimmer als deine.“ Vermutlich gibt es diese Zwistigkeiten schon seit Kain und Abel.
Der Mensch ist in seiner Polarität zwar so strukturiert, aber er kann an sich arbeiten und Licht und Schatten in Einklang bringen. Eine Möglichkeit wäre zu hinterfragen: „Was gilt denn als besser? Ist es das auch wirklich?“
Sicherlich müssen Ungerechtigkeit und Mißstände beseitigt werden, aber absolute Gleichheit läßt sich nicht erreichen; denn es gibt unterschiedliche Talente. Jeder muß mit seinen eigenen sinnvoll wirtschaften. Ein Orchester klingt erst dann gut, wenn die verschiedenen Instrumente harmonieren.
In einem Gebet der Töpfer von Taizé heißt es: „Herr, mache mich zu einer Schale, offen zum Geben, offen zum Nehmen, offen zum Geschenktwerden. Herr, mache mich zu einer Schale für dich, aus der du etwas nimmst, in die du etwas hineinlegen kannst. Wirst du bei mir etwas finden, was du nehmen könntest? Bin ich wertvoll genug, so daß du in mich etwas hineinlegen kannst? Herr, mache mich zu einer Schale für die Mitmenschen, offen für die Liebe, für das Schöne, das sie verschenken wollen.“
Viele Menschen tragen im Sterbeprozeß ein sogenanntes Sterbekreuz bei sich. Ich persönlich stelle mir vor, beim Sterben meinen Kelch wie eine Schale bei mir zu haben; denn ich glaube fest daran, daß jeder Mensch zur Vollendung kommen soll und kommen kann und Gott uns befähigt hat, uns zu öffnen wie eine Schale, in die er seine Gaben für jeden einzelnen hineinlegt, so daß jeder aus den Umständen, unter denen sein Leben nun einmal verläuft, etwas Sinnvolles gestalten kann. Im Sterben wird Gott die Schale eines jeden Menschen entsprechend füllen, so daß alle sagen können: „lch bin voll der Gnade.“
Damit ist jegliches Vergleichen nichtig. Unterlassen wir es doch bereits im irdischen Leben und entwickeln uns gemäß unseren Möglichkeiten!
Ich habe manchmal den Eindruck, daß die jungen Menschen noch an sich arbeiten, aber irgendwann damit aufhören und sozusagen bereits „sterben", ehe sie schließlich im hohen Alter beerdigt werden. In der Zwischenzeit hat sich nichts mehr entwickelt.
Stellen wir uns doch einfach jeden Tag unseres Lebens als den besten vor, und leben ihn ganz im Hier und Jetzt, ohne an die Vergangenheit oder die Zukunft zu denken. So können wir auch gerade jetzt und hier im Gottesdienst erfahren, daß Gott in uns lebt und wir in IHM!