
13.6.2019
Einteilung der Sinne
Jede Einteilung in verschiedene Sinne ist eine künstliche. Die Wahrnehmung der Wirklichkeit geschieht immer durch mehrere Sinne gleichzeitig. Dabei kann auch ein Sinn stellvertretend für einen anderen einspringen. Unsere Sinne funktionieren nicht als separate und unverbundene Systeme. Nie sind wir mit der Botschaft eines einzigen Sinnes zufrieden. So genügt uns Sehen allein häufig nicht, wir wollen die Dinge betasten, und zur Musik, die wir hören, möchten wir uns bewegen. Insofern läßt sich auch die Tätigkeit eines Sinnes durch die Mithilfe eines anderen unterstützen und beleben. Von blinden Menschen wissen wir, daß andere Sinne teilweise die Fähigkeit des Sehens übernehmen; das Tasten kann plastischer sein und das Hören intensiver. Die taub-stumm-blinde amerikanische Schriftstellerin Helen Keller konnte mit den Fingern die Farbe einer Blume ertasten. Jeder Sinn vermittelt nur etwas Ausschnitthaftes, einen Teil des Ganzen. In uns selbst muß es etwas Vereinigendes geben, das trotz aller Differenzierungen es selbst bleibt und so Verknüpfungen schafft. Das ist unser Ich.
So gibt es Querverbindungen und Unterscheidungen. Zwischen Schmecken und Riechen besteht eine enge Verbindung. Während das Sehen mehr dem Geistigen zuzuordnen ist, fällt das Tasten mehr dem Materiellen zu. Durch Tasten allein erfahren wir aber noch keinen Zusammenhang, vieles bekommt zum Beispiel erst durch das Sehen seine Gestalt.
Dem Sehen möchten wir gern das Hören zuordnen. Obwohl dieses in die Tiefe dringt, erfahren wir auch durch diesen Sinn allein keinen Zusammenhang. Ebenso spiegelt Sehen ohne Beteiligung eines anderen Sinnes lediglich die äußere Gestalt wider.
Bei den meisten Menschen ist das optische System besser trainiert als das auditive, dennoch können wir auf Grund verschiedener Übertragungsmechanismen mit einem entsprechenden Training schneller hören als sehen.
Bereits das Mittelalter macht das Sehen zum führenden Sinn und bringt es in nahe Verbindung zum Gehirn, dem Zentrum der Ordnung und Bewahrung des Wahrgenommenen. Das Auge hat auch vor den übrigen Sinnen das momentane Erfassen des Augenblicks und dessen Bewahren im Bild voraus. Sehen gilt als rein der Erkenntnis dienender Sinn.