
16.1.2019
Erde
Erde ist Symbol des Festen, nicht des Starren. Das Feste ist aber nur ein Teil des Erdorganismus. Innen ist unser Planet feuerflüssig, außen aber fest und von einer Lufthülle umgeben. Dieser Erdmantel ist nicht starr, sondern hat rhythmisch verlaufende Schwingungsbewegungen, die den Menschen bei besonderer Stärke, wie zum Beispiel einem Erdbeben, in seiner Existenz bedrohen; denn es ängstigt ihn nichts mehr, als wenn die Erde unter seinen Füßen wankt. Im Gegensatz zur Erde ist der Mond, der einmal ein Teil der Erde war, vollkommen starr.
Wir sprechen von „Mutter Erde“. Sie ist die Große Mutter, sie bringt das Leben hervor und ist dessen Beschützerin. Die leibliche Mutter ist nur die Vollenderin des Werkes der Mutter Erde. Als Gebärende ist die Erde die Urgesellin des Himmels. In fast allen Sprachen ist der Himmel männlich und die Erde weiblich.
Eine Ausnahme bildet Ägypten, wo man die Himmelsgöttin Nut als mütterlich bergenden Raum erfahren hat. Daß man die Erde, die man mit dem Gott Geb identifizierte, als männlich ansah, hängt vermutlich damit zusammen, daß in Ägypten nicht der Regen des Himmels das Land befruchtete, sondern die Überschwemmungen des Flusses Nil.
Der Luftgott Schu trennt mit erhobenen Armen die beiden Geliebten Nut und den Erdgott Geb. Der Sonnengott Re reist in seiner Barke und mit seinem Gefolge über (in) Nuts Körper
Foto: Wikimedia Commons
Die besondere Verbindung von Frau und Erde besteht in der Gleichung Erde = Leben; aber ebenso besteht ein Bezug zum Sterben. Bei unseren Vorfahren gab es das Gebären auf der Erde – Neugeborene wurden auf die Erde gelegt, dann hob der Vater sie auf und nahm sie in seine Arme, erst daraufhin hatte das Kind ein Lebensrecht. Franz von Assisi wollte nackt auf der bloßen Erde liegend sterben. Zur Initiation gehört auch ein symbolisches Getötetwerden durch das Liegen in einer Grube. Daraus gibt es dann ein Auferstehen. Novizen und Weihekandidaten liegen während der Zeremonie auf der Erde.

Maria im Ährenkleid mit Stifterin
Die Frau hat als erste Nährpflanzen angebaut, sie ist die Besitzerin des Bodens und der Ernte. Maria wird gerne mit Früchten in den Händen dargestellt.
Der Mensch beobachtet die Pflanzen und lernt, daß die Samenkörner unter der Erde ihre Form verlieren. So wird er erfüllt von dem Optimismus, nach seinem Tod wie der in der Erde verborgene Samen zu einem Leben in neuer Form zurückzukehren.
Beispiele dafür finden sich in folgenden Bibelstellen:
Gleichnisse vom Sämann (Mt 13,1-9; Mk 4,1-9; Lk 8,4-8),
Selbstwachsende Saat (Mk 4,26-29),
Unkraut und Weizen (Mt 13,24-30),
Senfkorn (Mt 13,31f; Mk 4,30-32; Lk 13,18),
Die Ernte entspricht dem Säen (2 Kor 9,6 vgl. Gal 6,7) und
Bild für die Auferstehung (1 Kor 15,35ff).
Die Erde hält aber auch fest; denn auf Grund der Schwerkraft kehrt alles zu ihr zurück, wie zum Beispiel ein hochgeworfener Stein. Der Mensch kehrt im Tod in die Erde zurück, darf aber an eine Auferstehung glauben. Für ihn ist nach alter Vorstellung unten die Hölle; insofern sieht er den Abgrund als negativen Aspekt der Erde.
Erde als Ackererde
Das Lebendige stirbt, aber das Tote wird nicht geschaffen. Nicht der Boden bringt die Pflanze hervor, sondern die Pflanze den Boden. „Leiblichkeit [= Festigkeit] ist das Ende aller Werke Gottes.“ (Friedrich Christoph Oetinger 1702-1782)
Erde als Wüste
Aus den flüchtigen, formlosen und luftigen Zutaten Wind und Sand entstehen die Dünen. Sie sind ein geordnetes Chaos. Wüste ist vor allem Geröll, Felsenschutt und Steine, nur ein Sechstel der Sahara besteht aus Sand. Verwüstung ist nur im Ausnahmefall Versandung. In der Hl. Schrift erscheint Wüste sowohl als Ort der Gottesbegegnung als auch auch als Ort der Versuchung.
Die Erde ist ein Organismus, der ein Eigenleben besitzt, sich selbst aber wiederum in dem größeren Zusammenhang des Kosmos befindet. Der Mensch ist ein aus Erde Geborener. Daher fühlen sich viele Menschen mit ihrer Heimaterde verbunden und haben nicht selten das Verlangen, darin begraben zu werden. Manche Menschen nehmen sogar, wenn sie, aus welchem Grund auch immer, ihre Heimat verlassen müssen, Erde von dort mit, um sie sich ins Grab legen zu lassen.
Trotz besseren Wissens empfinden wir die Erde als Mittelpunkt und bleiben trotz der kopernikanischen Wende Ptolemäer. Als Erdgeborene besitzen wir Erdenschwere. Wir sind auf die Erde bezogen; denn wir stehen, gehen, sitzen und liegen. Wir werden von ihr angezogen und sind nicht fähig, ohne Hilfsmittel zu fliegen.
Wir wollen aber auch vom Geist, dem Odem des Lebens, durchblasen werden.
Wir müssen geerdet sein, das heißt, mit beiden Füßen auf der Erde stehen; denn: „Wer die Erde nicht berührt hat, kann den Himmel nicht erreichen.“ (Elisabeth Moltmann-Wendel 1926-2016)
Wie fühlen wir uns der Erde verbunden?