
18.1.2019
Erde als Berg

Quelle der Fotos: Wikimedia Commons / Author: Bluetrain / CC-BY-SA 2.0 (abgerufen 5.1.2019)
Berge haben eine andere Aussagekraft als Höhlen. Höhlen in Bergen bringen eine paradoxe Zusammenfassung von Tiefe und Höhe zum Ausdruck. Dem hl. Michael geweihte Kirchen stehen nicht selten auf einem Berg gleichen Namens, wie zum Beispiel dem Mont St. Michel in Frankreich oder dem St. Michael’s Mount in England. Michaelskapellen befinden sich oft im 2. Stock eines Gebäudes, wie zum Beispiel die Michaelskapelle in Xanten.
Berge bilden die Vertikale zur Erde, sie sind dem Transzendenten näher als die Ebene. Der vertikale Aspekt zeigt sich in zahlreichen Ausdrücken unserer Sprache, unter anderen „hervorragend, hoch, Spitze“.
Berge sind Berührungspunkte zwischen Erde und Himmel. Der Wohnsitz der griechischen Götter war der Olymp. Zahlreiche Bibelzitate zeugen von der Anwesenheit Gottes auf einem Berg: „Ihr Gott ist ein Gott der Berge“ (1 Kön 20,23), „Auf dem Berge läßt sich der Herr sehen“ (Gen 22,14; vgl. Ex 3 u.19). Der Berg gilt als Mitte, als axis mundi = Weltachse. Der Hügel Golgota birgt das Grab Adams. Wichtige Stationen im Leben Jesu finden auf einem Berg statt.
Der Berg ist die Gestalt gewordene Erwartung der Erde. Der Mensch setzt noch ein Kreuz auf die Bergspitze, ein sogenanntes Gipfelkreuz. Damit bringt er die Erfüllung der Erwartung von oben zum Ausdruck, vermittelt durch den Menschensohn. Dieser steht auf der Erde als Symbol dafür, daß der Himmel sich der Erde durch den Menschen vermittelt.
Berge in Wolken sind ein Bild für die Unzugänglichkeit des Hohen. Die Stufen der Kontemplation gleichen dem Ersteigen eines Berges. „Auf sieben Stufen zum Altar“ lautet der Titel eines Buches zur Besinnung auf die Weiheliturgie von Bernardin Goebel. Das Wort „Altar“ hat seinen Ursprung in dem lateinischen Adjektiv altus = hoch.
Im Stein, einem Teil des ganzen Berges (pars pro toto), zeigen sich Schweigen und Unbeweglichkeit, das Ende der Wege Gottes. Im Großen erfahren wir das in den Bergen selbst, sie ver-berg-en ein Geheimnis. Wasser spricht leichter zu uns. Steine im Wasser erscheinen fast lebendig.
Der Stein transzendiert die brüchige Existenz des Menschen durch seine absolute Seinsweise. So dient er unter anderem als Grabstein und symbolisiert etwas Ewiges, was auch von dem Verstorbenen bleibt.

Quelle der Fotos: Wikimedia Commons / Author: Telmadatter / CC-BY 3.0 (abgerufen 5.1.2019)
Meteorsteine sind Kommunikationsmittel zwischen Himmel und Erde.
Als Kristall zeigen sie, daß sogar in der toten Materie ein Ordnungsprinzip als lebendiger Geist wohnt. Ein Kristall wird so zum Symbol der Vereinigung äußerster Gegensätze, wie sie sich auch in der Beschreibung des himmlischen Jerusalems zeigt (vgl. Apk 21). Die Sehnsucht nach der endgültigen, klaren Weltordnung steckt in der Vision von der geheimnisvollen Regelmäßigkeit der Kristallformen.
Berge sind ein Fertiges, ein Gewirktes, aber keine Wirklichkeit; denn das lebendig waltende Weltenwort ist in ihnen verstummt. Sie gleichen Gott in der tiefsten Weltentäußerung in seiner Stummheit am Kreuz. Dennoch läßt die Erhabenheit der Bergwelt seine große Schöpferkraft erahnen.
Welche Erfahrungen machen wir auf einer Bergspitze?