
23.1.2023
Erlösung durch das Kreuz
In der christlichen Vorstellung ist das Kreuz zunächst ein Marterwerkzeug, an dem Jesus starb.
Es geht aber beim Kreuz um mehr. Es ist ein Symbol für die Vereinigung der Gegensätze von oben und unten sowie von rechts und links. Sie treffen sich in der Mitte. Leben bedeutet Leben am Kreuz, das wir täglich auf uns nehmen; denn wir sind ausgespannt zwischen den Polen.
Menschliches Leben und erst recht christliches Leben nimmt teil an der Polarität der Schöpfung und wird so immer als Spannungseinheit erfahren. Das Ausgespanntsein zwischen den Polen gleicht einem Gekreuzigtsein. Diese Polspannung des Lebens zu akzeptieren, entspricht dem täglichen Kreuztragen. In einem Leben in ausgehaltener Spannung ist Beten ein Ja zu Gott in der Erfahrung des Widerspruchs.
Es besteht die Gefahr, einen Pol abzuspalten. Dann wird aber zum Beispiel aus Dunkelheit Finsternis. Die Ursünde der ersten Menschen bestand darin, selbst wie Gott sein zu wollen. Nach gängiger Vorstellung verstricken wir uns in Schuld wie Adam und Eva.
Aus der Einheit werden die Gegensätze geboren, und das ist Schöpfung. So erfährt der Mensch sich ausgespannt zwischen Himmel und Erde, hell und dunkel, oben und unten, innen und außen. Und so sehnt er sich nach Überwindung der Gegensätze, nach dem Ort, wo Himmel und Erde sich berühren.
Er kann lernen, daß er selbst der Ort ist, wo die Gegensätze zusammentreffen. Wenn sie sich jedoch vereinigen, dann ist Ewigkeit, dann ist Leben bei Gott.
Können wir überhaupt ohne Schuld leben? Man ist dabei, das Confiteor zu ändern; denn wir haben nicht nur Böses getan, sondern auch Gutes unterlassen, und das Gott gegenüber, der Schöpfung gegenüber und uns selbst gegenüber.
Siehe auch „Fluch oder Segen – Schuldbekenntnis“.