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31.7.2021

„mittwochs um 8“ im Missionshaus St. Xaver in Bad Driburg

Von meinem 1988 erschienenen kleinen Buch „Heilfasten – das Leben neu Bedenken“ hatte auch der WDR erfahren. Er lud mich ein zur Fernsehsendung „mittwochs um 8“ am Aschermittwoch, dem 13. Februar 1991 im Missionshaus St. Xaver in Bad Driburg. Dort äußerten sich Menschen aus dem Publikum und sogenannte „Experten“ unter der Moderation von Bernd Müller (1940-2018) und Dagmar Seitzer zum Thema „Fasten“.

Dabei ging es vorwiegend um religiöse und medizinische Aspekte.

Zwischen den einzelnen Beiträgen gab es Filmeinspielungen, wie zum Beispiel von der Austeilung des Aschenkreuzes, von Fastenbräuchen, Aufenthalten in Fastenkliniken und vielem mehr. Musikalisch gestalteten die Sendung die klassische Konzert- und Opernsängerin Margaret Russel und Ralph Richey.

Nach einigen kurzen Filmszenen zum Thema stellte Bernd Müller unter anderen folgende Fragen an einzelne Gäste im Publikum: „Haben Sie schon einmal gefastet? Was halten Sie vom Fasten?“

Anschließend wandte sich Dagmar Seitzer an mich mit Fragen nach der Geschichte des Fastens, der Bedeutung des Fastens in den einzelnen Weltreligionen, dem Ursprung des Begriffes „Fasten“ sowie nach dem Ziel des Fastens und nach Fastenbräuchen.

Es folgte ein musikalisches Zwischenspiel von den obengenannten Interpreten, bevor Bernd Müller das Wort an die medizinischen „Experten“ Dr. Otto Buchinger II (1913-2003), den damaligen Leiter der Heilfastenklinik Bad Pyrmont, und den Internisten Dr. Werner Richter (* 1950), damals tätig am Klinikum Großhadern, dem Klinikum der Universität München, richtete.

Die beiden Mediziner stellten verschiedene Aspekte des Heilfastens dar, zeigten aber auch Kontraindikationen auf. Integriert in das Gespräch wurden eigene Erfahrungen zum Fasten von Gästen aus dem Publikum und ein filmischer Einblick in die Heilfastenklinik Bad Pyrmont.

Ausgesprochen erfrischend und erheiternd war Bernd Müllers Gespräch mit dem Schriftsteller und Satiriker Gabriel Laub (1928-1998). Die im höchsten Maße geistreichen Äußerungen des nicht gerade „am Hungertuch nagenden“ Satirikers in bezug auf Essen, Trinken, Genuß und im Lauf der Geschichte wechselnde Schlankheitsideale riefen sowohl beim Publikum als auch bei den „Experten“ so manchen „Lacher“ hervor. Bernd Müller bezeichnete Gabriel Laub als einen Menschen, der das Leben zu genießen weiß.

Nach einer weiteren musikalischen Einlage bat mich Bernd Müller, Neben- und Auswirkungen des Fastens auf den Menschen aus spiritueller Sicht darzulegen.

Zunächst fragte mich Dagmar Seitzer: „Wie funktionieren Ihre Fastenkurse?“, woraufhin ich klarstellte, daß ich keine Fastenkurse halte, sondern Exerzitien, in denen auch gefastet wird, was aber nicht unbedingt immer alle Teilnehmer wahrnehmen. Daraufhin stellte sie mir folgende Fragen: „Was sind Exerzitien? Was passiert bei Ihrer Begleitung von Exerzitienkursen mit Fasten? Wie laufen solche Exerzitien ab? Was nehme ich aus einer Fastenzeit mit? Warum sollte ich immer wieder fasten?“

Anschließend äußerten sich Gäste, die unter anderem auch aus religiösen Motiven fasteten, wie zum Beispiel Teilnehmer aus einer Fastengruppe einer evangelischen Kirchengemeinde. Dabei kamen Aspekte des Erlebens von Ganzheit und Erfahrung der eigenen Mitte zur Sprache.

Als letzten Gesprächspartner konfrontierte Bernd Müller Pater Marian Reke OSB (* 1948), Benediktinermönch und ehemals Novizenmeister in der Abtei Königsmünster in Meschede, mit der Frage „Muß Fasten weh tun?“ Pater Marian antwortete: „Kann weh tun, muß aber nicht!“ Anhand der über 1500 Jahre alten Fastenregel des hl. Benedikt (um 480-547) erläuterte er die Bedeutung der positiven Motivation. Der hl. Benedikt spricht von der Freude und der Sehnsucht des Geistes nach dem Fest des österlichen Lebens.

Auf die Frage: „Warum Verzicht?“, legte Pater Marian in beeindruckender Weise dar: „Das Leben im Kloster ist schon von Verzicht gekennzeichnet, die Frage ist nur, warum verzichten. Ein anderes Wort für diese Verzichtsstruktur könnte man Askese nennen. Es bedeutet einfach „Übung“. Unser ganzes Leben ist in diesem Sinne Übung. Es geht bei der Askese nicht darum, aus irgendeiner negativen Motivation heraus, etwas abzulehnen, sondern ich denke, Askese ist dazu da, durch bestimmte Übungen des Verzichtes langsam in sich das Einverständnis zu wecken, daß die Dinge dieser Welt vergänglich sind.“

Weiterhin erläuterte Pater Marian, das Einverständnis mit der Vergänglichkeit aller Dinge solle zu einer inneren Freiheit führen, zu einer Unabhängigkeit und dadurch zu einer Erhöhung der Lebensqualität sowie das Gefühl der Dankbarkeit wecken, um aus dieser Dankbarkeit zu leben.

Die Kirche spreche heute statt von Fastenzeit eher von „österlicher Bußzeit“. Das Wort „Buße“ sei verwandt mit dem Wort „baß“ = „besser“. Es gehe um eine „Wiedergutmachung“ im wörtlichen, nicht in einem rechtlichen Sinn, mich bessern, indem ich mich des ursprünglichen Gutseins von Gott her erinnere und mich davon getragen weiß. Es gibt ein Leben vor dem Tod, ein Leben mit großen Buchstaben geschrieben. Es gibt ein Leben vor dem Tod, das scheint mir die Essenz des Evangeliums zu sein, und wenn ich das aus einer österlichen Erfahrung hier erlebe, wird auch in diese Erfahrung das Sterben und der Tod mit hineingehören und eine Perspektive eröffnen. Ich möchte hier schon leben und mich nicht vertrösten lassen auf ein Leben im Jenseits irgendwann und irgendwo.

So wundert es nicht, daß Pater Marian immer wieder zu Vorträgen bei der Hospizbewegung eingeladen wird.

„Ein großes Wort aus dem Mund eines Mönches!“, kommentierte Bernd Müller sichtlich beeindruckt den letzten Satz der Ausführungen von Pater Marian.

Gegen Ende der Sendung kamen noch einmal alle „Experten“ und zahlreiche Gäste aus dem Publikum zu Wort. Insgesamt war es eine sehr vielseitige und abwechslungsreiche Sendung, die vielleicht manche Menschen angeregt hat, ein wenig intensiver über das Fasten nachzudenken.