Gedanken zu Lesefrüchten (20.7.2020)
Wenn ich etwas Neues sehe, bringe ich es manchmal mit etwas mir Bekanntem in Verbindung. So ist es auch beim Lesen. Das Gelesene kann etwas zum Ausdruck bringen, was ich schon immer gedacht habe, nur so noch nicht formulieren konnte. Gleichzeitig entsteht ein Nachdenken, das mich zu weiteren Erkenntnissen führt.
Friedrich Wilhelm Weber (1813-1894)
Dreizehnlinden
XVII Des Priors Lehrsprüche
Freiheit sei der Zweck des Zwanges,
Wie man eine Rebe bindet,
Daß sie, statt im Staub zu kriechen,
Froh sich in die Lüfte windet.
Diese Weisheit haben viele Eltern und Erzieher heute vergessen, und das führt zu einer Fehlentwicklung.
Schon in der Kita sollen Kinder heute selbst entscheiden, was und wie sie spielen wollen. Laut einer Erzieherin haben Kinder gefragt: „Müssen wir heute wieder tun, was wir wollen, oder dürfen wir tun, was Du willst?“
Die Entwicklung der Psyche kann nur stattfinden, wenn Erwachsene dem Kind den Weg weisen. Ein Kind lebt nach Impulsen, nach Lust und Laune. Wenn es die Angebote der Erziehenden nicht mitmachen und deren Anweisungen nicht folgen muß, hat es keine Chance, sich sozial zu entwickeln. Das führt dazu, daß es später nur das machen will, worauf es gerade Lust hat, und es wird ihm unter anderem schwerfallen, zum Beispiel pünktlich und zuverlässig zu sein. Kinder müssen geführt werden, und zwar ohne Zwang.
Der Kinderpsychiater Michael Winterhoff (* 1955) warnt: „Es wächst eine Generation unfreier Narzissten heran“.
Die Schnelllebigkeit unserer Zeit bringt die Kinder um die Zeit, die sie von ihren Eltern benötigen. Schon früh kann etwas falsch laufen.
Beim Spaziergang sehe ich sehr oft, wie eine Mutter den Kinderwagen schiebt, aber nicht bemerkt, daß das Kind vergeblich ihren Blick sucht; denn sie schaut auf ihr Handy. Wenn Eltern dem Handy mehr Aufmerksamkeit schenken als dem Kind, kann das fatale Folgen haben.