
Gedanken zu Lesefrüchten (11.3.2019)
Wenn ich etwas Neues sehe, bringe ich es manchmal mit etwas mir Bekanntem in Verbindung. So ist es auch beim Lesen. Das Gelesene kann etwas zum Ausdruck bringen, was ich schon immer gedacht habe, nur so noch nicht formulieren konnte. Gleichzeitig entsteht ein Nachdenken, das mich zu weiteren Erkenntnissen führt.
Der alte Gegensatz von Leben und Tod löst sich auf
Sterben ist ein Prozeß, der Tod aber ein augenblicklicher Zustand ohne Vergangenheit noch Zukunft. Er ist aber unerläßlich, um die Ewigkeit erfahren zu können.
Die Grenze zwischen lebloser Materie und Leben wird unschärfer, löst sich womöglich auf oder muß völlig neu definiert werden. Viele empfinden dies als schwere Kränkung der „Krone der Schöpfung“. Wir leben immer noch von einem archaischen Verständnis des Lebens als einer statischen Form her.
Lebenserhaltende Maschinen führen dazu, daß die Funktion der inneren Organe eines Menschen aus unterschiedlichen Gründen, vor allem aber im Hinblick auf eine Organtransplantation, für längere Zeit aufrechterhalten wird, auch wenn jener Teil des Gehirns, der für das Bewußtsein zuständig ist, seine Arbeit bereits eingestellt hat. Bei einer Transplantation führt dann, hoffentlich nach zuvor erfolgter ausführlicher Aufklärung, unter Narkose und mit Vergabe von Schmerzmitteln, die Organentnahme zum endgültigen Tod. Damit ein anderer Mensch weiterleben kann, muß ein Sterbender getötet werden; denn abgeschlossen ist der Sterbeprozeß während der Organentnahme noch nicht.
Unter der Überschrift „Der Übereifer vor dem Tod – Hierüber wird wenn überhaupt nur abstrakt aufgeklärt: Mögliche Organspender müssen sich gefallen lassen, dass ihr Sterben intensivmedizinisch verlängert wird – allein um der Interessen Dritter willen“ berichtete Stephan Sahm in der F.A.Z. vom 25. Februar 2019 über das Eingreifen in den Sterbeprozeß und dessen Verlängerung durch die Organspende.
Sterben ist ein Prozeß, der unter anderem auch für die Organtransplantation durch lebenserhaltende Maschinen verzögert wird; denn sonst könnte man zum Beispiel die entnommenen Organe nicht mehr verwenden.
Ich kann verstehen, daß kranke Menschen mittels einer Organtransplantation weiterleben möchten. Das ist bei einer Lebendspende, wie zum Beispiel die einer Niere, auch völlig in Ordnung. Aber während wir zwei Nieren haben, von der eine zu entbehren ist, haben wir nur ein Herz, und das soll bei mir persönlich weiterschlagen bis zum letzten Atemzug. Diesbezüglich hat meine Nächstenliebe eine Grenze. Hier gilt auch für mich der Satz, den ich in der Lesefrucht vom 18. Februar 2019 zitiert habe: „Teile so viel du kannst, nicht aber die Verantwortung für dein Leben.“
Siehe auch Menschsein zwischen Anfang und Ende – Von der künstlichen Befruchtung bis zur Organspende.