Gedanken zu Lesefrüchten (15.11.2021)

Wenn ich etwas Neues sehe, bringe ich es manchmal mit etwas mir Bekanntem in Verbindung. So ist es auch beim Lesen. Das Gelesene kann etwas zum Ausdruck bringen, was ich schon immer gedacht habe, nur so noch nicht formulieren konnte. Gleichzeitig entsteht ein Nachdenken, das mich zu weiteren Erkenntnissen führt.

„Es ist nicht gut, daß der Mensch allein bleibt“ (Gen 2,18)

Der Grund dafür läßt sich unter verschiedenen Aspekten beantworten. Siehe Impuls und Predigt zum 27. Sonntag im Jahreskreis B - Alleinsein (6./7.10.2018).

Einen eigenen Standpunkt vertritt der Hirnforscher Gerald Hüther (* 1951). Die F.A.Z. vom 15. Februar 2021 würdigte ihn anläßlich seines siebzigsten Geburtstages mit einem Artikel unter der Überschrift „Kosmologe der Psyche“ und den einleitenden Zeilen „Er kann nicht einfach nur Hirnforscher sein. Denn das isolierte Gehirn, meint Gerald Hüther, kann nie allein sein. Nicht einmal der einsamste Mensch der Welt kann mit sich, wie er sagt, in Berührung kommen, wenn er nicht auch stets sein körperliches und soziales Ich in seiner Weltbetrachtung berücksichtigt. Und so war vor einiger Zeit aus dem Hirnforscher Gerald Hüther ein erzählerisch hochbegabter Kosmologe der menschlichen Psyche geworden; ein Hirn-Körper-Gemeinschaftsdeuter, der wiederum keinen Titel stolzer trägt als den des Neurobiologen.“

Link zum Artikel

Siehe auch „Gerald Hüther: Neurobiologe & Hirnforscher“.

* * * * *

Spannung von Gemeinschaft und Alleinsein – Einsamkeit aushalten können

Anfangs lebten die Menschen auf engem Raum zusammen, möglicherweise auch mit Tieren. Es folgte ein Aufteilen in Räume. Später gab es Höfe und Häuser für Familien.

Im 18. Jahrhundert bekamen Kinder wohlhabender Eltern ein eigenes Zimmer, möglicherweise sogar mit einem verschließbaren Schrank.

Vor allem die Bildung der Adeligen erfolgte im sogenannten „Privat-Raum“. Das Ergebnis äußerten sie später zum Beispiel im Austausch mit Ihresgleichen unter anderen in sogenannten „literarischen oder künstlerischen Salons“.

Diese Entwicklung der Wohnverhältnisse setzt sich durch die Jahrhunderte fort. Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer ärmer. Insofern gibt es für die sozial Benachteiligten in ihren beengten Wohnungen nur selten Möglichkeiten, sich in den eigenen vier Wänden einmal allein zurückzuziehen.

Für das religiöse Leben ist die Fähigkeit des Alleinseins von fundamentaler Bedeutung; denn Sammlung führt zur Begegnung mit Gott. Das Mönchstum hat mit der Einzelzelle ein Vorbild für diese Lebensweise geschaffen. Wer sich völlig von dieser Welt isolieren wollte, um allein in Gemeinschaft mit Gott zu leben, wurde zum Einsiedler in einer einsam gelegenen Eremitage.