
Gedanken zu Lesefrüchten (17.8.2020)
Die vollkommene Unvollkommenheit – Der Perfekte macht sich selbst fertig
Wenn ich etwas Neues sehe, bringe ich es manchmal mit etwas mir Bekanntem in Verbindung. So ist es auch beim Lesen. Das Gelesene kann etwas zum Ausdruck bringen, was ich schon immer gedacht habe, nur so noch nicht formulieren konnte. Gleichzeitig entsteht ein Nachdenken, das mich zu weiteren Erkenntnissen führt.
„Perfektion/Vollendetsein ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern wenn man nichts mehr weglassen kann.“ (Antoine de Saint-Exupéry 1900-1944)
„Nobody is perfect – Niemand ist perfekt!“ und doch möchten es manche sein. Aber ein Perfektionist wird selten fertig, weil er nie zufrieden mit dem Erreichten ist. Im Grunde will er wie Gott sein.
Denjenigen, der nach Perfektion strebt, erkennt man nicht daran, daß er sich viel Mühe gibt, die Dinge gut zu machen, sondern daran, daß er um jeden Preis die Anerkennung dafür braucht und sein Selbstwertgefühl davon abhängt, keine Mißerfolge zu verbuchen. Bleibt diese Anerkennung aus, nagt der Selbstzweifel.
Es gibt den totalen Perfektionisten, der alles, zum Beispiel bei einer Schreibarbeit, so beispiellos machen möchte, daß er aus lauter Sorge, nicht perfekt zu sein, gar nicht erst anfängt und die sprichwörtliche Angst vor dem leeren Blatt hat. Genauso aber steht der absolute Faulenzer da. Beide kommen nicht in Gang, sondern umgehen den Schreibtisch weiträumig und unverrichteter Dinge.
Das Streben nach Perfektion und Anerkennung hat auch seine guten Seiten. Es spornt an und führt zu besonderen Leistungen. So birgt der „gesunde Perfektionismus“ viele Potentiale. Er ist gekennzeichnet durch anspruchsvolle Ziele, hohe Leistungsfähigkeit und Freude an Erfolg und Anerkennung.
„Leben heißt, sich immer wieder ändern; vollkommen sein heißt, sich oft verändert haben.“ (John Henry Newmann 1801-1890)