Gedanken zu Lesefrüchten (24.8.2020)

Wenn ich etwas Neues sehe, bringe ich es manchmal mit etwas mir Bekanntem in Verbindung. So ist es auch beim Lesen. Das Gelesene kann etwas zum Ausdruck bringen, was ich schon immer gedacht habe, nur so noch nicht formulieren konnte. Gleichzeitig entsteht ein Nachdenken, das mich zu weiteren Erkenntnissen führt.

Was ergibt WEIß + SCHWARZ?

Tief in seinem Inneren sehnt sich der Mensch nach einfachen Erklärungen wie gut oder böse, richtig oder falsch, schwarz oder weiß. Ihm geht es um ein Entweder-oder. Aber die Struktur der Wirk­lich­keit ist eine an­dere, es gilt das Sowohl-als-auch, es geht um eine kom­ple­men­täre Wirklichkeitserfahrung. Entscheidungen lassen sich sel­ten auf ein Entweder–oder reduzieren. Das Ganze ist die Er­fahrung des Lebens sowohl als Glück als auch als Unglück.

Jede unserer Eigenschaften hat auch eine Kehrseite, und der Mensch existiert nur im „Gesamtpaket“. „Gegensätze zie­hen sich an.“ Wer das erkennt, kann nicht nur zu innerer Ba­lance finden, sondern auch negative Erfahrungen besser verar­bei­ten. „Der Gegensatz von leicht und schwer ist der geheim­nis­vollste und vieldeutigste aller Gegensätze.“ (Milan Kundera * 1929)

Im „Nebeneinander-leben-lassen“ von Meinungen und Zielen entsteht Raum für Kreativität und lebensnahe Lösungen. Der Kompromiß ist eine der größten Leistungen der Menschheitsge­schich­te. Er ermöglicht, Streitigkeiten beizulegen, ohne daß es Sieger und Besiegte gibt, und widersprüchliche Interessen fried­lich zu in­te­grieren sowie breite Akzeptanz zu erreichen. Kompromisse kann aber nur schließen, wer die Sichtweise und den Stand­punkt anderer Menschen versteht. Bei „Kompromiß-Problemen“ hilft der Mediator.

Wenn sich ein Schwarz-Weiß-Kreisel dreht, ist nur Grau zu sehen.

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Betrachtet man die „Farben“ Schwarz und Weiß, die keine eigentlichen Farben sind, weil sie alle Farben in sich bergen, auf einer symbolischen Ebene als Einheit, dann entsteht ein leuchtender Silberglanz. So sehen es Britta und Alfred Schwarzburger in ihrem Buch „Parzival & Trevizent“.

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Es ist der Zusammenfall der Gegensätze, die coincidentia oppositorum, der diesen leuchtenden Silberglanz hervorbringt. In Gott fallen alle Gegensätze zusammen, ebenso in Jesus. Deshalb hatte er eine solche Ausstrahlung.

Je mehr wir Menschen uns bemühen, die Gegensätze in uns zu vereinen, desto leichter können wir die Spannung der Polarität der Wirklichkeit aushalten und die Entspannung erwarten, die uns im Sterben geschenkt wird.