Gedanken zu Lesefrüchten (28.12.2020)
Wenn ich etwas Neues sehe, bringe ich es manchmal mit etwas mir Bekanntem in Verbindung. So ist es auch beim Lesen. Das Gelesene kann etwas zum Ausdruck bringen, was ich schon immer gedacht habe, nur so noch nicht formulieren konnte. Gleichzeitig entsteht ein Nachdenken, das mich zu weiteren Erkenntnissen führt.
„Wie wäre es, auf nichts als auf eine Zweiheit gestellt zu sein?“
Diesem Satz begegnete ich in einem Artikel der F.A.Z. vom 30. Mai 2020. Der Verfasser formuliert nach Beispielen wie „Auf sich und seine Liebe?“ „Auf sich und ein Buch?“ den Satz „Und der Rest der andrängenden Welt bliebe ausgeblendet?“
Das erinnerte mich an meine Ausbildung zum Priester. Als solche waren wir zum Zölibat verpflichtet. Man sagte uns, das sei gar nicht so schwer; denn es gebe nur eine einzige Frau auf der Welt, die zu uns passe. Dieser dürften wir nur nicht begegnen; denn dann gebe es Probleme.
Um so freudiger verfälschten wir den Psalmvers 27,4 wie folgt: „Unum (Una) petivi a Domino hoc requiram ut habitem in domo Domini omnibus diebus vitae meae ut videam pulchritudinem Domini et adtendam templum eius. – Eins (Eine) bitte ich vom HERRN, das hätte ich gerne: daß ich im Hause des HERRN bleiben möge mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des HERRN und seinen Tempel zu betrachten.“
Im Studium hörte ich in einer Vorlesung von Professor Hermann Volk, als Kaplan habe ihn ein Schüler gefragt, ob man im Himmel noch Fußball spielen dürfe, sonst wolle er da nicht hin. Er habe geantwortet: „Du kannst da noch Fußball spielen, aber ob du das noch willst?“
Woran könnte das Wollen scheitern? Das Einssein mit Gott in der Ewigkeit wird uns ganz erfüllen. Wie ist es aber dann mit all dem, was wir auf Erden geliebt haben?
Ich stelle mir vor, daß dann alles eingebunden ist in das Einssein mit Gott, dem ALL-EINEN; denn für mich birgt Gott die absolute Fülle aller Möglichkeiten, deshalb fallen bei ihm die Gegensätze zusammen.
Nikolaus von Kues (1401-1464) formuliert: „So beginne ich, an der Pforte des Zusammenfalls der Gegensätze dich, Herr, zu schauen. Denn du bist da, wo Sprechen, Sehen, Hören, Schmecken, Fühlen, Überlegen, Wissen und Einsehen ein und dasselbe sind, wo Sehen und Gesehenwerden, Hören und Gehörtwerden, Schmecken und Geschmecktwerden, Fühlen und Gefühltwerden zusammenfallen und Reden mit Hören und Erschaffen mit Reden.“