
Gedanken zu Lesefrüchten (24.12.2018)
Wenn ich etwas Neues sehe, bringe ich es manchmal mit etwas mir Bekanntem in Verbindung. So ist es auch beim Lesen. Das Gelesene kann etwas zum Ausdruck bringen, was ich schon immer gedacht habe, nur so noch nicht formulieren konnte. Gleichzeitig entsteht ein Nachdenken, das mich zu weiteren Erkenntnissen führt.
Gibt es viele Dinge oder nur Eines?
Auf obige Frage gibt „Der Philosophiekalender 2018“ am 24./25. November die gegensätzlichen Antworten der beiden Philosophen Baruch de Spinoza (1632-1677) und Peter Strawson (1919-2006). Spinoza ist „der Ansicht, dass die vielen Dinge gar keine eigenständige Existenzform bilden, sondern nur Arten und Weisen sind, in denen sich eine einzige, unendliche Substanz ausdrückt. Diese unendliche Substanz, die Spinoza als Gott oder Natur bezeichnete, drückt sich in vielfältigen Formen aus“.
Strawson vertritt „die Gegenthese: Es gibt eben doch nur Einzeldinge, die klar abgegrenzt sind und für sich existieren – ein großes Ganzes hingegen existiert lediglich als Verallgemeinerung“.
Ich persönlich sehe in jedem „Ding“ das Große Ganze, auch wenn es sich nur um ein Fragment handelt. Ein wunderbares Beispiel dafür ist das Sonett „Archaischer Torso Apollos“von Rainer Maria Rilke (1875-1926).
Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt,
darin die Augenäpfel reiften. Aber
sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber,
in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug
der Brust dich blenden, und im leisen Drehen
der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen
zu jener Mitte, die die Zeugung trug.
Sonst stünde dieser Stein entstellt und kurz
unter der Schultern durchsichtigem Sturz
und flimmerte nicht so wie Raubtierfelle;
und bräche nicht aus allen seinen Rändern
aus wie ein Stern: denn da ist keine Stelle,
die dich nicht sieht. Du mußt dein Leben ändern.
Das Große Ganze, das ALL-EINE, nenne ich Gott, von dem auch ich ein Teil bin; denn „in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“. (Apg 17,28) Wir in IHM, ER in uns!
Wann ist es passender, über diesen Satz nachzudenken, als an dem Tag, an dem wir feiern, daß Gott das wird, was wir sind: Mensch?
Der Kalender für das Jahr 2019 der Firma nick emotion Medienproduktion in Billerbeck, die diese Homepage gestaltet hat und betreut, steht unter dem Motto „Klein & Gross“. Welch passender Titel zur obigen Thematik!
Siehe auch „Die himmlische Musik".