Gedanken zu Lesefrüchten (6.1.2020)

Wenn ich etwas Neues sehe, bringe ich es manchmal mit etwas mir Bekanntem in Verbindung. So ist es auch beim Lesen. Das Gelesene kann etwas zum Ausdruck bringen, was ich schon immer gedacht habe, nur so noch nicht formulieren konnte. Gleichzeitig entsteht ein Nachdenken, das mich zu weiteren Erkenntnissen führt.

Fremd und doch vertraut

Wie kann ich einem Fremden so begegnen, daß er mir nicht mehr fremd ist? Indem ich mir das Fremde aneigne; denn so wird es mir vertraut. Es ist ähnlich wie beim Sauerteig, der das Brot zwar durchsäuert, dann aber nicht mehr von diesem zu unterscheiden ist.

Es gilt jedoch, die überlieferte Tradition und die eigene Erfahrung ernst zu nehmen. Zu große Anpassung verführt zum Einheitsbrei. Es geht um Einheit in der Vielfalt.

Wie ich in der Fremde die Heimat schätzen lerne, kann ich in der Begegnung mit dem Fremden auch das Fremde in mir entdecken und lernen, es anzunehmen.

Karl Valentin formulierte: „In der Fremde ist der Fremde fremd.“ Es kann aber auch sein, daß mir in der Fremde meine bisherige Heimat fremd geworden ist, weil ich auch das Fremde als Heimat in mir entdeckt habe. Eben fremd und doch so vertraut!

ich bin
auf der suche
nach mir
daher bin ich
vorübergehend
nicht anzutref­fen
bis dahin ist
was aussieht
wie ich
nur die verpackung
(Hans-Curt Flemming)